Schwule und Lesben hoffen auf die neue Familienministerin Kristina Köhler: Beim Frankfurter CSD in diesem Jahr fuhr sie auf dem Wagen der LSU mit.
Von Micha Schulze
Ursula von der Leyen ist nicht mehr für Familienpolitik zuständig, endlich, doch wer bitte schön ist Kristina Köhler? Nach dem Rücktritt von Arbeitsminister Franz Josef Jung und dem Ressortwechsel der offensichtlich gelangweilten Zensurla hat Kanzlerin Angela Merkel überraschend eine 32-jährige Bundestagsabgeordnete als neue Familienministerin aus dem Hut gezaubert.
Die erschrockene Schlagzeile der "Welt" – "Jung, ledig, kinderlos" – lässt bereits ahnen, dass Kristina Köhler nicht unbedingt der konservativen Wunschbesetzung für dieses Ressort entspricht. Die promovierte Politikwissenschaftlerin und studierte Soziologin sitzt seit 2002 im Bundestag, wo sie sich vor allem als heftige Islam-Kritikerin einen Namen machte und mit einer abstrusen Warnung vor "deutschenfeindlicher Gewalt" von Ausländern für Schlagzeilen sorgte. In der CDU-Grundsatzkommission half sie jedoch mit, das konservative Familienbild der Partei zu modernisieren.
Berührungsängste gegenüber Schwulen und Lesben hat Köhler nicht – ihr Büroleiter ist der Berliner Landesvorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), Eike Letocha. Beim Frankfurter CSD in diesem Jahr fuhr die designierte Familienministerin sogar auf dem Wagen der Unions-Homos mit. "Die Mitglieder der LSU verdienen großen Respekt. Denn manchmal werden sie immer noch als Schwule und Lesben in der Union schief angesehen. Und als überzeugte Christdemokraten haben sie es auch in der homosexuellen Szene nicht immer leicht", zitiert sich Kristina Köhler auf ihrer eigenen Webseite. Sie selbst vertrete die Überzeugung, "dass den Pflichten bei eingetragenen Lebenspartnerschaften endlich auch mehr Rechte folgen müssen."
Gerade als Christdemokratin freue sie sich über schwule und lesbische Paare, die in einer Lebenspartnerschaft dauerhaft füreinander Verantwortung tragen wollen, sagte Köhler im CSD-Sommer: "Hier werden konservative Werte gelebt!" Natürlich sehe das in der Union noch nicht jeder so. "Aber immer mehr!", so die in Wiesbaden direkt gewählte Abgeordnete – äußerst erfrischende Worte aus dem Munde einer CDU-Politikerin.
"Kristina Köhler steht als moderne Politikerin auch schwul-lesbischen Themen offen gegenüber", bestätigt der offen homosexuelle Stadtbezirksvorsitzende der CDU Wiesbaden, Rolf Ohler. Bereits zum Wiesbadener CSD im Jahr 2001 habe sie die Standesamtsregelung des Partnerschaftsgesetzes unterstützt.
In einem Grußwort an die Berliner "Respect Games" schrieb die designierte Familienministerin: "Jeder Mensch in unserer Gesellschaft hat das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Liebende Menschen, egal ob in einer homo- oder heterosexuellen Partnerschaft, verdienen Respekt und Anerkennung, denn Liebe bedeutet auch Verantwortung füreinander zu übernehmen und einander zu respektieren. Daher tragen liebende Menschen dazu bei, dass unsere Gesellschaft verantwortungsvoller und respektvoller wird.”
Schärfere Gesetze gegen Barebacker?
Heftige Kritik aus Teilen der Szene und von den Aids-Hilfen erntete Köhler allerdings, als sie Ende 2005 zusammen mit der LSU ein schärferes Vorgehen und Gesetze gegen die so genannte Barebacking-Szene forderte (queer.de berichtete). Als die "taz" damals kommentierte, die CDU-Politikerin wolle ungeschützten Geschlechtsverkehr unter Homosexuellen bestrafen, wehrte sie sich nicht, sondern schrieb in einem Leserbrief: "Akzeptieren Sie endlich, dass Schwulsein keine politische Einstellung ist, sondern Ausdruck einer Lebensführung. Missbrauchen Sie nicht die schwule Community für politische Propaganda."
Trotz ihrer populistischen Bareback-Kritik hat sich Köhler aber auch für Aids-Projekte eingesetzt, berichtet der Blogger Ondamaris – so indem sie etwa im Jahr 2005 ihre EC-Karte als "CityCard Wiesbaden zugunsten der Aids-Hilfe” aktivierte oder im selben Jahr die Schirmherrschaft über die Ballnacht der Wiesbadener Aids-Hilfe übernahm.
Deutschlands Regenbogenfamilien, schwul-lesbische Paare und Wohngemeinschaften können damit hoffen, von der offiziellen Familienpoliitik überhaupt erstmals wahrgenommen zu werden. Zwar sagte Köhler selbst kurz nach ihrer Nominierung im ZDF, von der Leyen sei eine "ganz tolle Familienministerin" gewesen. Und: "Ich will ihre erfolgreiche Familienpolitik fortsetzen."
Es besteht jedoch mehr als nur Hoffnung, dass dies lediglich eine Höflichkeitsfloskel war...
bleibt, wenn sie in Amt und Würden ist. Laut
wikipedia.de hat sie die typische Politkarriere
der neuen Generation deutscher Berufspolitiker
absolviert: Abitur, Studium, Bundestagsmandat
(nach Mitarbeit im Abgeordnetenbüro einer hessischen Landtagsabgeordneten) und jetzt
Bundesministerin. Den Politikern, die dieser immer
üblicher werdenden Partei-Aufzucht entstammen,
stehe ich zunächst mal skeptisch gegenüber
(wobei die Karriere in Hessens Koch-CDU nicht
unbedingt für Liberarität stehen muss). Ich hoffe,
sie belehrt mich in ihrer Tätigkeit eines Besseren.