Umwelt- und Landwirtschaftsministers Andrä Rupprechter versteht nicht mehr, warum er als Konservativer für die Diskriminierung von Schwulen und Lesben eintreten soll (Bild: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft)
Unter Konservativen in der Alpenrepublik ist eine Debatte um das Adoptionsrecht für Homo-Paare ausgebrochen, nachdem sich erstmals ein ÖVP-Minister für die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben ausgesprochen hat.
In der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) bröckelt die Front der Gleichstellungsgegner: Auslöser waren Aussagen des Umwelt- und Landwirtschaftsministers Andrä Rupprechter. Der 52-Jährige hatte am Samstag im Interview mit der Tageszeitung "Standard" erklärt: "Ich denke, es gibt genug gute Beispiele dafür, dass sich Kinder in homosexuellen Partnerschaften wohlfühlen können. Ich vertrete da eine sehr viel liberalere Anschauung, als man von einem tief verwurzelten Tiroler Katholiken annehmen möchte".
Der Minister erklärte, als Konservativer, der traditionelle Wert erhalten wolle, können man auch ein "offenes Weltbild" haben. Seine Partei müsse sich "einer Debatte stellen, der ich aber mit großer Gelassenheit entgegensehe".
Die ÖVP regiert derzeit als Junior-Partner in einer Großen Koalition mit der SPÖ. Die Führung der Volkspartei wies nach der Veröffentlichung des Interviews die Äußerungen des Ministers zurück. Parteichef und Vizekanzler Michael Spindelegger erklärte, es gebe wichtigere Themen wie die Pleite einer Kärntner Bank oder den Bundeshaushalt: "Glauben Sie mir, da gibt es genug Probleme, die wir hier zu bewältigen haben". ÖVP-Fraktionschef Reinold Lopatka erklärte sogar, Rupprechter solle zu diesem Thema in Zukunft seinen Mund halten: "Jeder Minister ist am besten beraten, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren".
Familienministerin: "Theoretisches Problem"
Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) will Homosexuellen nur Rechte zugestehen, wenn diese nicht von Heterosexuellen in Anspruch genommen werden
Für Aufregung sorgte ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin: Sie bezeichnete die Homo-Adoption als eher "theoretisches Problem", da es bereits jetzt genug heterosexuelle Paare gebe, die Kinder adoptieren wollten. Als Pflegeeltern "könnten Homosexuelle aber einen wertvollen Beitrag leisten", da hier noch Leute gesucht werden würden.
Die sozialdemokratische SPÖ und die Grünen begrüßten einhellig die Debatte um das Adoptionsrecht, kritisierten aber die Familienministerin scharf: "Auf homosexuelle Menschen als Pflegeeltern zurückzugreifen, ihnen die Fremdkindadoption aber zu verwehren, ist scheinheilig", erklärte die grüne Nationalratsabgeordnete Daniela Musiol. Das Österreich der Großen Koalition bewege sich immer nur soweit, "wie es sein muss". Sie verwies darauf, dass die Stiefkindadoption erst nach einem Urteil des Europäischen Menschengerichtshofes eingeführt wurde (queer.de berichtete).
Bundeskanzler Werner Faymann und seine Sozialdemokraten unterstützen die Gleichstellung im Adoptionsrecht, werden aber derzeit – wie in Deutschland – vom konservativen Koalitionspartner blockiert (Bild: SPÖ / flickr / by-sa 2.0)
SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek will nun mit der ÖVP in Gespräche treten, um eine eventuelle Gesetzesinitiative mit dem Koalitionspartner auf den Weg zu bringen. Sie hat dabei die Unterstützung vom sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann, der erklärte, der gleichen Meinung wie der Landwirtschaftsminister zu sein.
Größter Gegner der Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist nach wie vor die Katholische Kirche. Die Gruppe Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) warf Homosexuellen am Dienstag indirekt sogar vor, generell Kinder zu schädigen: "Die Debatte kreist wieder einmal um das falsche Thema. Bei der Adoption geht es zuallererst um das Wohl des Kindes, nicht um die Rechte von Erwachsenen", so KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer in einer Pressemitteilung. "Mit welchem Recht enthält der Staat einem Kind von vornherein die Beziehung zu Vater und Mutter vor?", fragte er. In Österreich dürfen wie in Deutschland nur heterosexuelle Eheleute oder Einzelpersonen Kinder adoptieren, nicht aber Schwule und Lesben in einer Lebenspartnerschaft.
Laut mehreren Studien wachsen Kinder in Regenbogenfamilien genauso gut auf wie in heterosexuellen Familien, wie etwa eine amerikanische Untersuchung im letzten Jahr erneut bestätigte (queer.de berichtete). Auch eine Studie des deutschen Bundesjustizministeriums war 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass gleichgeschlechtliche Eltern nicht schlechter für das Kindeswohl sind als andere Paare (queer.de berichtete). (dk)