Erzbischof Heiner Koch (4.v.r.) schildet nach dem Treffen seine Eindrücke vor einem für einen katholischen Würdenträger ungewöhnlichen Hintergrund (Bild: Jasmin Gabel, LSVD)
Heiner Koch hat sich mit homo- und transsexuellen Flüchtlingen getroffen und eine Verbesserung ihrer Lage gefordert. Unterdessen meldet der LSVD fast 100 Fälle von Gewalt gegen LGBT-Asylbewerber.
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat am Donnerstag das Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule des LSVD Berlin-Brandenburg (MILES) besucht und mit LGBT-Flüchtlingen gesprochen. Danach äußerte sich der katholische Würdenträger schockiert über das körperliche und seelische Leid, das diese Menschen ertragen müssten.
"Es waren sehr bedrückende, sehr erschreckende Dinge, die ich erfahren habe", sagte der Erzbischof nach Angaben des "Tagesspiegels". Bei Diskriminierung und Übergriffen erfahre ein Flüchtling schmerzhaft, "dass die Würde des Menschen doch nicht unantastbar ist". Er wolle in Gesprächen mit Politikern anregen, dass sie "solche Dinge zu einem Thema machen".
Wie brenzlig die Lage für LGBT-Flüchtlinge ist, zeigen die zum Bischofsbesuch vorgelegten Zahlen des LSVD: So erklärte der Verband, man habe im vergangenen Jahr 1.453 Beratungen von queeren Flüchtlingen in der Hauptstadt durchgeführt. Von August bis Dezember 2015 wendeten sich außerdem 95 homosexuelle und transgeschlechtliche Flüchtlinge wegen Gewaltvorfällen an den LSVD. Drei Viertel der Gewalt richtete sich demnach gegen schwule Männer. Fast alle der Opfer waren unter 30 Jahre alt. Dabei gab es 53 Fälle von Beleidigungen oder Nötigung, 29 Fälle von körperlicher Gewalt und 13 Fälle von sexuellen Übergriffen.
Gewalt in Flüchtlingsunterkünften
Der Bischof sprach auch mit diesen zwei syrischen Flüchtlingen (Bild: Jasmin Gabel, LSVD)
Die meisten Gewalttaten ereigneten sich demnach in den Flüchtlingsunterkünften und wurden nicht der Polizei angezeigt. Darüber hinaus kam es seit April 2015 bei 34 Ämterbegleitungen in 19 Fällen zu verbalen Beleidigungen durch das Sicherheitspersonal und/oder die meist arabischsprachigen Dolmetscher, die oft nicht für das Thema Homo- oder Transsexualität sensibilisiert seien. Auf Probleme mit Übersetzern weisen Aktivisten schon seit Jahren hin, etwa auch bei Flüchtlingen aus Russland (queer.de berichtete).
Gegenüber dem "Domradio" kündigte Koch an, mit dem Caritasverband in Berlin zu schauen, "was wir da tun können und tun müssen". So sollten Mitarbeiter unterrichtet werden, wie mit diesem Thema umgegangen werden könne. Die Caritas hat in der Vergangenheit wenig Sensibilität gegenüber Schwulen und Lesben gezeigt. So feuerte der Wohlfahrtsverband vergangenes Jahr in Bayern eine Hortleiterin wegen ihrer Homosexualität (queer.de berichtete). Sie wurde allerdings nach Kritik wenige Monate später wieder eingestellt (queer.de berichtete). Auch Koch hatte noch vor wenigen Monaten wenig sensibel und pauschal gegen Schwule und Lesben gewettert – so bezeichnete er noch im September Homosexualität als "beschränkt" und "nicht gelungen" (queer.de berichtete).
Nun appelliert Koch allerdings an die Gläubigen, dass sie sich um LGBT-Flüchtlinge kümmern sollten: Ihm sei wichtig, "dass wir in unseren Gemeinden Menschen finden, die diese Flüchtlinge mit ihrer sexuellen Prägung herzlich annehmen. Menschen, bei denen sie sich wohlfühlen". (cw)