In Algerien, Marokko und Tunesien drohen Homosexuellen langjährige Haftstrafen (Bild: flickr / Jeffrey Schultz / by 2.0)
Für den LSVD ist die geplante Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als "sichere Herkunftsstaaten" eine "menschenrechtliche Bankrotterklärung" – die LSU hat damit kein Problem.
Obwohl in Algerien, Marokko und Tunesien Homosexualität mit Gefängnis bestraft wird, will die Bundesregierung diese drei Länder am Mittwoch zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklären. Asylverfahren sollen damit beschleunigt und abgelehnte Bewerber schnell abgeschoben werden. CDU, CSU und SPD hatten sich Ende Januar auf diese Verschärfung verständigt. Bundestag und Bundesrat müssen der Gesetzesänderung anschließend noch zustimmen.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) reagierte entsetzt auf die Pläne der Regierung und nannte sie in einer Pressemitteilung vom Dienstag eine "menschenrechtliche Bankrotterklärung". "Wer Algerien, Marokko und Tunesien zu 'sicheren Herkunftsstaaten' erklärt, rechtfertigt die Verfolgung Homosexueller", kritisierte LSVD-Sprecher Manfred Bruns. "Er macht sich mitschuldig, dass dort Menschen politisch verfolgt, eingesperrt und misshandelt werden, nur weil sie anders lieben."
LSVD: Linke Bundesratsmehrheit soll Gesetz stoppen
Die Bundesregierung trete mit ihrem Vorstoß die "weltweiten Bemühungen um die Entkriminalisierung von Homosexualität mit Füßen", so der LSVD. "Es ist unfassbar, dass die SPD die Hand dazu reicht. Wir erwarten von SPD, Linken und Bündnis 90/Die Grünen, dass sie die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien zu 'sicheren Herkunftsstaaten' spätestens im Bundesrat stoppen", sagte Manfred Bruns. "Von CDU/CSU, die die politische Hauptverantwortung tragen für die frühere menschenrechtswidrige Strafverfolgung von Homosexualität in der Bundesrepublik, ist hier offenbar nicht zu erwarten, dass ihnen die Grundrechte Homosexueller irgendetwas bedeuten."
Das Asylrecht werde zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt, kritisierte der LSVD – und verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hatten 1996 entschieden: "Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat muss Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen". Dies sei bei den Magreb-Staaten aber nicht der Fall, so Manfred Bruns. "Für die Bevölkerungsgruppe der Lesben und Schwulen besteht diese Sicherheit in Algerien, Marokko und Tunesien in keiner Weise. Denn die homophoben Strafgesetze werden auch angewandt, wie selbst die Bundesregierung einräumen musste."
LSU: Asyl für LGBT in Deutschland auch weiterhin möglich
Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) verteidigten dagegen die Pläne der Bundesregierung und riefen den LSVD zu mehr Gelassenheit auf: "Menschen, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt und mit Gefängnis bedroht würden oder sogar um ihr Leben fürchten müssten, können selbstverständlich auch weiterhin Asyl in Deutschland beantragen", erklärte der LSU-Bundesvorsitzende Alexander Vogt am Dienstag in einer Pressemitteilung (PDF). In der Praxis gibt es dafür jedoch hohe Hürden: Wer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, dessen Asylantrag gilt in Deutschland zunächst als "offensichtlich unbegründet". Flüchtlinge müssen die deutschen Behörden vom Gegenteil überzeugen und ihre Verfolgung mit Dokumenten nachweisen.
Für die LSU ist eine Reduzierung der aktuellen Flüchtlingszahlen prioritär: "In Deutschland herrscht große gesellschaftliche Einigkeit darüber, dass bei aller Hilfs- und Aufnahmebereitschaft der Zustrom von Flüchtlingen und Zuwanderern nicht in bisherigem Umfang weitergehen kann", sagte Vogt. "Ich glaube, das sieht auch die große Mehrheit der Lesben und Schwulen in Deutschland so."
Die gesellschaftliche Integration der Flüchlinge sei eine Aufgabe, die Deuschland über viele Jahre fordern werde, so der LSU-Vorsitzende. "Ich möchte dabei auch an die Notwendigkeit der Anerkennung unserer westlichen Werte durch die Zuwanderer erinnern, zu denen auch die Gleichberechtigung und Akzeptanz von LGBTIQ-Personen zählt." (cw)
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