Das Medikament Truvada hilft nicht nur HIV-Positiven durch Eindämmung einer bestehenden HIV-Infektion, sondern kann diese bei einer präventiven täglichen Einnahme auch verhindern
Die führenden deutschen Aids-Organisationen fordern, dass das Mittel gegen HIV-Infektionen nicht ungenutzt bleiben dürfe.
Die Zeit ist reif für die Einführung der medikamentösen HIV-Prophylaxe in Deutschland, finden die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG), der HIV-Ärzte-Verbund dagnä und die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) in einem am Montag anlässlich des bevorstehenden Welt-Aids-Tages veröffentlichten gemeinsamen Appell an die Politik.
Die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) könne helfen, die Zahl der HIV-Neuinfektionen nachhaltig zu senken, so die Initiatoren. Sie fordern die Bundesregierung und den Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen (G-BA) auf, so schnell wie möglich die nötigen Maßnahmen einzuleiten.
Bei einer PrEP wird das HIV-Medikament Truvada vorbeugend eingenommen. Es verhindert dann eine HIV-Infektion sehr zuverlässig. In Deutschland kommt die PrEP vor allem für schwule und bisexuelle Männer mit häufigen ungeschützten sexuellen Kontakten in Frage – eine nach Ansicht der Organisationen "überschaubare Gruppe, in der aber ohne diese Schutzmöglichkeit viele HIV-Infektionen stattfinden".
Forderung auch nach Kostensenkung
Seit Oktober ist Truvada in Europa als PrEP für Menschen mit besonders hohem HIV-Risiko verordnungsfähig. Die Krankenkassen haben jedoch erklärt, für die Kosten nicht aufzukommen, der G-BA hat sich bislang nicht geäußert. Damit ist die PrEP für die meisten Menschen faktisch nicht verfügbar: Eine Monatspackung kostet 820 Euro.
Die am Appell beteiligten Organisationen fordern daher: "Die PrEP muss von den Krankenkassen zuverlässig erstattet werden. Zu diesem Zweck müssen das Infektionsschutzgesetz oder die Schutzimpfungsrichtlinie des G-BA angepasst werden." Zugleich wird gefordert: "Der aktuelle und künftige Hersteller müssen das PrEP-Medikament zu einem sehr viel niedrigeren Preis anbieten. In der Herstellung ist es billig. Die Preissenkung ist der Schlüssel zum Einsatz der PrEP in der Prävention."
Mit der PrEP könne man "die Erfolge der HIV-Prävention in Deutschland ausbauen", erklärt Prof. Dr. Georg Behrens, Präsident der Deutschen AIDS-Gesellschaft. "Sie bewahrt Menschen vor HIV und kann damit auch Folgekosten für das Gesundheitssystem sparen. Zugleich verhindert ein regulärer Zugang, dass Menschen sich die PrEP auf eigene Faust beschaffen und sie ohne ärztlichen Beistand anwenden, womit erhebliche Risiken verbunden sind."
Dr. Knud Schewe, Sprecher des Vorstandes der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä), erläutert: "Im Praxisalltag erleben wir immer wieder Menschen, die sich vor HIV schützen möchten, denen der Schutz mit Kondomen aber nicht immer gelingt. Endlich können wir auch diesen Menschen etwas anbieten. Aus ärztlicher Sicht können wir es nicht länger verantworten, sie abzuweisen. Das Ergebnis sind vermeidbare HIV-Infektionen."
Die PrEP werde das Kondom nicht ersetzen, meint Sylvia Urban vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe. "Es bleibt für die meisten Menschen das einfachste Mittel, sich vor HIV zu schützen und reduziert das Risiko anderer Geschlechtskrankheiten. Manche Menschen aber brauchen die medikamentöse Prophylaxe, um HIV-negativ zu bleiben. Die PrEP muss daher ein weiterer Baustein der HIV-Prävention werden."
Schutz mit Kondomen gelingt nicht immer
Die Gründe, warum Menschen der Schutz mit Kondomen nicht gelingt, können vielfältig sein. Sexuelles Verhalten sei oft nicht rational steuerbar, betont die Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe, "starke Gefühle wie Leidenschaft oder Angst können ebenso eine Rolle spielen wie verinnerlichte Handlungsmuster, Selbstwertprobleme, Alkohol und Drogen oder Erektionsprobleme bei Kondomgebrauch."
DAIG, dagnä und DAH wissen sich in ihrer Forderung nach der PrEP einig mit der WHO und UNAIDS. In immer mehr Ländern ist die PrEP bereits im Einsatz, darunter die USA, Frankreich und Norwegen.
Die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) ist die medizinische Fachgesellschaft zum Thema. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (dagnä) vertritt die HIV-Schwerpunktärzte, die täglich mit den Bedürfnissen von Patienten konfrontiert sind. Die Deutsche AIDS-Hilfe betreibt HIV-Prävention für die am stärksten von HIV betroffenen Gruppen. (pm)
Denn unsere Zwei-Klassen-Medizin ist jetzt schon am Limit. Das SPD-Versprechen einer Bürgerversicherung, wo alle einzahlen müssen, hat die SPD ja leider (wie so viele andere Versprechen) gebrochen.
Schon jetzt werden fremde Töpfe angezapft, um bis zur nächsten Bundestagswahl noch die Beiträge stabil zu halten. Danach kommt dann die große Erhöhung.
Medizinischer Fortschritt ist ja an sich wünschenswert, kostet aber eben auch Geld. Und dafür wäre ein Systemwechsel bei den Krankenkassen nötig - sprich: Abschaffung der Privaten Kassen und Gesetzliche Kassen für alle. Dann hätte auch diese unsägliche Ungleichbehandlung ein Ende, dass man bei manchen Fachärzten als Kassenpatient Wochen bis Monate auf einen Termin warten muss, während das für Privatpatienten innerhalb von Tagen geht. (Daran haben auch die Vermittlungsdienste der gesetzlichen Kassen nicht wirklich was geändert. Ich weiß das, weil es mir aktuell genauso geht. Ich darf jetzt fast 3 Monate arbeitsunfähig sein und meine Krankenkasse hat mir einen Termin nur 3 Tage (!) eher besorgt. Dafür muss ich aber mit dem Bus 45 Minuten fahren.)