Déjà-vu: Steffen Seibert erklärte am Montag erneut die ablehnende Haltung der Bundesregierung aus Union und SPD zur Ehe für alle
Die Bundesregierung plant weiterhin nicht, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe und ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht zu geben. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag auf eine entsprechende Frage des Journalisten Tilo Jung ("Jung & Naiv").
Stephanie Krüger, stellvertretende Sprecherin des von der SPD geführten Justizministeriums, antwortete auf die Fragen nur: "Man ist dazu in der Bundesregierung in Gesprächen." Auf Rückfragen wollte sie das nicht konkretisieren und verwies ansonsten auf den kürzlich vorgestellten Gesetzentwurf zur Rehabilitierung der Männer, die nach dem Anti-Schwulenparagrafen 175 verurteilt worden waren.
Seibert hingegen kritisierte, dass Jung "ohne erkennbaren Anlass" ein Thema aufbringe, über das man schon oft gesprochen habe. "Es gibt da keinen neuen Stand." Der Koalitionsvertrag halte fest, dass man rechtliche Diskriminierungen abbaue, was "seit 15 Jahren Politik verschiedeneter Bundesregierungen" sei und zu "zahlreichen Beseitigungen von diskriminierenden Rechtssituationen geführt" habe.
Direktlink | Der Ausschnitt aus der Bundespressekonferenz vom Montag zur Ehe-Öffnung
Die Frage der Ehe-Öffnung sei aber nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen, so Seibert. Der Sprecher der gesamten Bundesregierung betonte: "Ehe und Familie stehen bei uns unter einem bestimmten und ganz besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, der nach den vorliegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sich auf die Verbindung von Mann und Frau bezieht. Das heißt, hier wäre eine Änderung des Grundgesetzes anzustreben."
Auf die Rückfrage, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die Ehe für alle und das Adoptionsrecht sei, meinte Seibert: "Wir halten uns an den Koalitionsvertrag und was die Adoption betrifft, so halten wir uns an das, was auch die Rechtsprechung vorgibt."
Union bestimmt weiter Regierungspolitik
Der Sprecher der Bundesregierung folgte damit weiter nicht dem eigenen Bundesjustizminister. Heiko Maas (SPD) hatte mehrfach öffentlich betont, dass es für die Ehe-Öffnung keine Grundgesetzänderung bräuchte. In früheren Schlagabtauschen mit Tilo Jung hatte Seibert hingegen immer wieder diese angebliche Notwendigkeit betont, die der Union durch die nötige Zweidrittelmehrheit damit nebenbei für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte eine Blockade im Bundestag ermöglichen würde (queer.de berichtete).
Direktlink | Steffen Seibert zur Ehe-Öffnung im Mai 2015
Interessant sind auch die rechtlichen Ausführungen Seiberts zum Adoptionsrecht: Das Bundesverfassungsgericht hatte schwulen und lesbischen Paaren in den letzten Jahren die Sukzessivadoption ermöglicht und dabei festgestellt, dass gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern ebenfalls Familien im Sinne des Grundgesetzes sind. Das Urteil lässt sich ohne große Deutungen zudem so lesen, dass das Gericht auch ein vollständiges Adoptionsrecht abnicken würde: "Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestaltung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen nicht" (queer.de berichtete).
Bricht Martin Schulz sein Schweigen?
Anlass für die Frage Jungs am Montag war die von der "heute"-Redaktion am Donnerstag verbreitete Meldung, die SPD und ihr designierter Spitzenkandidat Martin Schulz wollten die Ehe für alle und das gemeinschaftliche Adoptionsrecht für Homo-Paare zum Wahlkampfthema machen.
Die Pressestelle der SPD, die ihre Strategie in dieser Frage in Wirklichkeit offenbar noch nicht festgelegt hat, hatte die "heute"-Meldung gegenüber queer.de in dieser Form nicht bestätigen wollen und nur allgemein auf entsprechende Forderungen verwiesen, wie sie das Parteiprogramm längst enthält. Auf die beginnende Mediendebatte zur Ehe-Öffnung gingen SPD-Politiker und Auftritte der Partei in sozialen Medien nicht ein, selbst als sich erste Unionsabgeordnete wie Volker Kauder am Wochenende ablehnend zu den Forderungen äußerten (queer.de berichtete).
Der neue SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz ignorierte am Sonntag bei einer Rede in Leipzig die Frage der Ehe-Öffnung – und damit ein derzeit weltweit aktuelles Bürgerrechtsthema zu einer Minderheit, für die Sichtbarkeit wichtig ist
Auch Martin Schulz erwähnte bei einer einstündigen Vorstellung seiner "politischen Ideen und Ziele" am Sonntag in Leipzig die Ehe für alle mit keinem Wort, wie zuvor schon nicht bei seiner Antrittsrede in der SPD-Parteizentrale, den Antrittsinterviews bei ARD und ZDF und einer weiteren großen Rede vor dem Arbeitnehmerkongress vor wenigen Tagen.
Schulz hatte allerdings mehrfach allgemein betont, den Koalitionsvertrag mit der Union bis zum Ende der Legislaturperiode erfüllen zu wollen. Zur Ehe-Öffnung liegen dem Bundestag Gesetzesanträge von Opposition und Bundesrat vor, die die SPD mit der Opposition sofort verabschieden könnte. Stattdessen hatte sie die Anträge zusammen mit der Union teils seit Jahren im Rechtsausschuss von Sitzung zu Sitzung vertagt (queer.de berichtete).
Die Sache ist ja ganz einfach:
die Zustimmung der Union ist gar nicht nötig.
Wenn die SPD die Eheöffnung will, kann sie sie auch ohne Zustimmung der Union haben, da es dann eine Mehrheit links der Union gibt.
Jetzt muss Martin Schulz Farbe bekennen, ob die SPD unter ihm ihre Wahlversprechen hält und das macht, was 80% des Volkssouveräns will oder ob auch unter ihm die SPD lieber den Homohass der Union unterstützt.
Laut deutschem Grundgesetz (Art. 38) ist jeder Abgeordnete nur seinem eigenen Gewissen verpflichtet und hat nicht auf Aufträge und Weisungen anderer zu hören. Wenn die SPD dennoch weiterhin den Homohass der Union unterstützt, statt uns endlich unsere Rechte zu geben, geschieht das nicht, weil die Union die SPD irgendwie dazu zwingen könnte, sondern dann macht die SPD das aus Überzeugung...