In sozialen Netzwerken posierte S. gerne vor einem Hakenkreuz
Paukenschlag beim Verfahren gegen den 20-jährigen Terrorverdächtigen Ethan S. im britischen Leeds: Der mutmaßliche Neo-Nazi, der einen Anschlag auf eine CSD-Veranstaltung geplant haben soll, hat sich am Mittwoch vor Gericht als bisexuell geoutet. Er habe bereits sexuelle Erfahrungen mit Männern gesammelt, sagte S. den Geschworenen. "Ich fühle mich angewidert und schäme mich über mich und darüber, welche [homophoben Aussagen] ich gemacht habe", so S. laut britischen Medienberichten. Kurz zuvor war den Geschworenen ein Film aus einem sozialen Netzwerk gezeigt worden, in dem der Angeklagte eine Regenbogenfahne verbrennt.
S. wird beschuldigt, am 23. Juni 2017 in seiner Heimatstadt Barrow einen Anschlag auf die Kneipe New Empire geplant zu haben, die gerade eine "Pride Night" veranstaltete (queer.de berichtete). Er habe Waffen gesammelt – unter anderem Machete und eine Axt – um einen "mörderischen Anschlag" verüben zu können. Er soll auch mit Sprengstoff experimentiert haben.
Der Angeklagte habe laut Staatsanwaltschaft aus "tiefsitzendem Hass" gegen Minderheiten, speziell Schwule und Lesben, gehandelt. Als er von der "Pride Night" erfahren habe, sei er wütend geworden, habe die Kneipe ausgekundschaftet und Fotos gemacht. Die Polizei wurde nur auf den Fall aufmerksam, weil S. in einer Chatgruppe zum Thema Nationalsozialismus mit dem geplanten Massenmord prahlte. Daraufhin nahm sie den Mann in unmittelbarer Nähe zur Kneipe fest.
Die Verteidigung des Angeklagten argumentiert, dass S. kein Neo-Nazi, sondern ein "Fantast" sei, der sich in sozialen Netzwerken nur aufspielen wollte. Er sei an falsche Freunde gekommen und habe versucht, diese zu beeindrucken. Der Angeklagte selbst sagte aus, er sei nur auf die Neo-Nazis in den sozialen Netzwerken zugegangen, um nicht gemobbt zu werden. Außerdem, so sein Anwalt, leide der Angeklagte am Asperger-Syndrom, also einer Entwicklungsstörung, die soziale Interaktionen erschwert.
Schwuler Patenonkel: Angeklagter hat "paranoide Fantasien"
Vor Gericht sagte am Mittwoch auch der schwule Patenonkel des Angeklagten aus. Er betonte, dass er S. nicht für homophob halte: "Ich glaube, ich habe einen siebten Sinn für so etwas", so der Universitätsdozent. "Meiner Meinung nach hat er sich an paranoiden Fantasien aufgegeilt. Wenn er plötzlich eine Idee hatte, war er völlig darauf fixiert." Der Zeuge führte das auch auf die Kindheit des Angeklagten zurück, der immer ein Einzelgänger gewesen sei.
Außerdem wurden in der Verhandlung mehr Einzelheiten aus der Jugendzeit des Angeklagten bekannt: So habe er bereits 2014 einem Kinderpsychologen gesagt, dass er gerne einen Amoklauf an seiner Schule durchführen wolle. Er habe auch bei einem Besuch bei seiner damals 16-jährigen Freundin in Deutschland im Internet danach gesucht, wie man Maschinenpistolen kaufen kann. (cw)
Wichtiger erscheint mir allerdings die Frage, was wohl der schwule Patenonkel dazu sagen würde, wenn aus den blutgierigen Fantastereien Realität geworden wäre.