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Die lesbische TV-Romanze des Jahres
- 01. November 2016, kein Kommentar

Eine neue Folge der SciFi-Serie "Black Mirror" (Netflix) bietet eine utopische Liebe unter Frauen.
In der Regel ist es eine düstere Welt, die die britische Autoren-Miniserie "Black Mirror" verbreitet: In abgeschlossenen Einzelgeschichten, die zumeist in nicht allzuweiter Ferne liegen, werden aktuelle Technologien und Trends aufgenommen, in der Regel nicht allzuweit zugespitzt und oft zu einer Bedrohung: Sei es eine Gesellschaft, deren Rangordnung auf Likes und Disklikes in sozialen Netzwerken basiert, oder ein TV-Satiriker in einem Bären-Kostüm, der mit Unsinn und Populismus zu einer Wahl antritt, bis er die Kontrolle über den Ausgang verliert.
Die von Kritikern hoch gelobte Serie, die oft mit der "Twilight Zone" verglichen wird, aber viel realistischer erscheint und deutlicher zur Reflektion einlädt, lief zunächst in zwei Staffeln zu drei Folgen plus Weihnachtsspecial beim britischen Sender Channel 4, danach wanderte sie zu "Netflix" ab. In dem Streaming-Portal sind nun seit einigen Tagen weltweit die ersten sechs von zwölf Folgen einer dritten Staffel abrufbar.
In einer der Folgen, der vierten, kommt nun auch erstmals die LGBTI-Welt vor, eher nebensächlich, und doch zentral: Wir befinden uns in einem Club in den Achtzigerjahren, in der fiktiven amerikanischen Partymetropole San Junipero, nach der auch die Episode betitelt ist. Dort lernt die verschüchterte Yorkie (Mackenzie Davis) die party-hungrige und bisexuelle Kelly (Gugu Mbatha-Raw) kennen. Die beiden Frauen freunden sich an, verbringen eine Nacht miteinander - und dann kann Yorkie Kelly nicht mehr finden.
Schnell stellt sich heraus, dass nicht alles scheint, wie es ist, und es natürlich um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit geht. Um eine Utopie, und auch um die Liebe und die Würde. Mehr soll einfach nicht verraten sein an dieser Stelle.
Die Episode ist vergleichsweise ein Lichtblick in einer sehr düsteren Staffel; eine andere Episode mit einem späten Plot-Twist ist etwa äußerst verstörend, zumal ihre Handlung mit heutigen Technologien möglich erscheint. Geschrieben wurde "San Junipero" von dem TV-Kritiker und Serien-Schöpfer Charlie Brooker, dessen erste TV-Arbeit, eine Zombie-Serie aus der Sicht eines Big-Brother-Hauses, den späteren Erfolg von "The Walking Dead" vorweg nahm.
In Interviews sagte Brooker zu der Folge mit Yorkie und Kelly, dass er sich beim Look an den Folgen von "Grand Theft Auto" orientiert habe - wer will, kann darin einen minimalen Spoiler sehen. Die Serie habe er zuerst mit einem heterosexuellen Paar geschrieben, dann aber gedacht, dass er sie mit einem lesbischen Paar besser erzählen kann: Kleinere Details im Laufe der Handlung geben ihr eine zusätzliche Tiefe, den Personen eine Geschichte, den Wunden der Vergangenheit (und letztlich noch immer der Jetzt-Zeit) zwar keine Heilung, aber doch eine selbstbewusste, selbstbestimmte Antwort.
Die Welt aus "San Junipero" scheint dabei zunächst noch Utopie zu bleiben. Andere Folgen der hervorragenden Serie wurden längst auf beunruhigende Weise von der Realität eingeholt: Der Bär, der sich zur Wahl stellt, sollte sich über Boris Johnson lustig machen - und erinnert nun an Donald Trump. Wie sich Facebook & Co. weiterentwickeln, ist bereits jetzt eine Frage, die nicht nur Justizminister beschäftigen. Eine mit einem internationalen Emmy ausgezeichnete Folge, in der ein britischer Premier und ein Schwein eine Rolle spielen, verlor durch später bekannt gewordene Vorfälle gar ein wenig den satirischen Biss.
Derweil haben die Planungen für den zweiten Teil der dritten Staffel begonnen. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Jodie Foster bei einer Folge Regie führen soll. (nb)
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