Ein schwuler Aktivist fotografiert queere Menschen vor Ortsschildern - die Städte oder Kreise hatten sich zuvor als frei von einer "LGBT(I)-Ideologie" erklärt. Nun wurde er wegen der Aktion angezeigt.
Bartosz Staszewski, Aktivist, Regisseur und Organisator des CSD in Lublin, veröffentlicht die entstandenen Fotos in sozialen Netzwerken. An die Ortsschilder bringt er dazu ein selbstgebasteltes Schild mit der Aufschrift "LGBT-freie Zone" in mehreren Sprachen an.
Nach und nach will der Aktivist fast alle der inzwischen fast 50 Kreise, Städte und Provinzen besuchen, die in den letzten Monaten im Rahmen einer homo- und transphoben Stimmungsmache von Regierung, Kirche und ihnen nahestehenden Medien entsprechende Beschlüsse gefasst hatten. Seine Fotoaktion hat bereits zu Medienberichten in aller Welt geführt; der belgische EU-Politiker Guy Verhofstadt hatte einige Bilder in der letzten Woche in sozialen Netzwerken geteilt und in dem viel beachteten Facebook-Eintrag dazu geschrieben, dass ihn der Hintergrund den Magen umdrehe. Die Europäische Kommission müsse "unverzüglich Maßnahmen gegen die widerlichen Praktiken einiger polnischer Kommunalbehörden gegen die LGBTI-Community ergreifen".
Aktivisten der an der Regierung beteiligten Partei Porozumienie von Bildungsminister Jaroslaw Gowin haben inzwischen Medienberichten zufolge Strafanzeige gegen Staszewski erstattet. Die Schilder enthielten Fehlinformationen und rückten Polen international in ein schlechtes Licht, außerdem könnten sie von Autofahrern als offizielle Schilder aufgefasst werden.
Von Staszewski erstellte Karte mit "LGBT(I)-freien" Zonen in Polen mit Stand Dezember 2019 (Bild: BartStaszewski / twitter)
Die Fotoaktion schade offenbar der politischen Rechten, antwortete Bartosz Staszewski öffentlich auf die Kritik, und sie zeige für sie unvorteilhaft die Wahrheit hinter den queerfeindlichen Beschlüssen. "Ich werde weiter Fotos machen." Über die Webseite gbtfreezones.pl klärt er näher über die Beschlüsse der Behörden auf, die im letzten Dezember vom Europaparlament in einem Entschließungsantrag kritisiert worden waren (queer.de berichtete).
Twitter / BartStaszewski | "Rund 50 Städte und Regionen haben sich als frei von LGBT-'Ideologie' erklärt", schreibt der Aktivist bei Twitter. "Mein Projekt ist die Antwort darauf. Die symbolischen Schilder sind eine Antwort auf symbolische Diskriminierungshandlungen."
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In den Beschlüssen verpflichten sich die Städte etwa, keine "Homo-Propaganda" zu akzeptieren, keine Sexualaufklärung an Schulen durchzuführen und sich zum "Schutz der Familie" und der Kinder der "Ideologie der LGBT-Bewegung" zu widersetzen, die christlichen Werten entgegenstehe. "Wir sind keine Ideologie", war im letzten Jahr ein oft genutzter Hashtag von queeren Menschen in sozialen Netzwerken als Antwort auf den homophoben Dauerbeschuss.
Staszewski mit dem umstrittenen Schild. Bild: privat
Das Magazin "Gazeta Polska" hatte im letzten Sommer angekündigt, einer Ausgabe einen Aufkleber mit durchgestrichenen Regenbogen und dem Aufruck "LGBT-freie Zone" beizulegen. Nach einiger Kritik wurde ein Teil der Auflage in "LGBT-Ideologie-freie Zone" geändert. Dass man die "Ideologie" nicht von den gemeinten Menschen trennen könne und dass entsprechende Ausdrücke Menschen ausgrenze, befürchteten nicht nur Aktivisten - unter anderem auf Klage von Staszewski stoppte ein Gericht die Verteilung des Magazins (queer.de berichtete). (nb)