
https://queer.de/b?3561
Düsseldorf: Queeres Mahnmal eingeweiht

- 15. Oktober 2021,
Pünktlich zum CSD der NRW-Landeshauptstadt präsentierte der Künstler Claus Richter den "Ort für die Erinnerung und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt".
Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller (CDU), die Vorsitzende der Kunstkommission Düsseldorf, Heike van den Valentyn, und Gabriele Bischoff vom LSBTIQ+ Forum Düsseldorf weihten das Werk zusammen mit dem in Köln lebenden Künstler am Freitagmittag ein. Rund 150 Menschen waren zu der Einweihung trotz Regens gekommen.

"Dieser Ort ist den Lesben, Schwulen, Bi- und Trans*, die Opfer von Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung in Düsseldorf wurden, gewidmet", heißt es auf dem Mahnmal. "Und all denen, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt einstehen." Man habe sich bewusst für den zentralen und öffentlichen Ort auf der Wiese am Apollo-Varieté an der Rheinkniebrücke entschieden, so Keller, und ein Zeichen der Erinnerung wie Ermahnung gesetzt.
Denn man dürfe nie sorglos sein: Verbrechen wie der tödliche Islamisten-Angriff auf ein schwules Paar in Dresden oder kürzlich ein Angriff auf einen Mann im Düsseldorfer Norden, weil er einen Regenbogen-Mundschutz trug, verstörten, so der Oberbürgermeister. Mit Sorge blicke man auf die Situation in Ungarn oder in Polen, gegen die man einschreiten müsse – Keller begrüßte eine Delegation zum CSD aus der Partnerstadt Warschau. Das Mahnmal ermuntere zur Reflektion, selbst aktiv zu werden und einzuschreiten, statt zu schweigen, wenn Menschen ausgegrenzt oder angegriffen würden.

Stephan Keller
Das Denkmal soll an die Verfolgung nach §175 durch die Nazis erinnern – in keiner anderen westdeutschen Stadt gab es mehr Festnahmen, so das LSBTIQ+-Forum auf der Webseite zum Mahnmal zur ursprünglichen Forderung der Arbeitsgemeinschaft, die über 30 queere Gruppen der Stadt umfasst, zu dessen Errichtung. Aber auch die weitere Verfolgung und Ausgrenzung aller queerer Menschen in Vergangenheit und Gegenwart soll thematisiert werden, der Ort in einen breiteren Zusammenhang von Gedenken, Ritualen und Informations- und Schulveranstaltungen stehen.

Richters "Ein seltsam klassisches Denkmal" zeigt vier Bronzefiguren, die alle "Spektren sexueller Ausrichtung" symbolisieren sollen, wie es in einer Mitteilung der Stadt heißt. "Eine feminine, scheinbar biologisch männliche Figur, eine eher maskuline, scheinbar biologisch männliche Figur, eine glatzköpfige scheinbar biologisch weibliche Figur und eine eher feminine scheinbar biologisch weibliche Figur".

Claus Richter
Der Entwurf hatte sich in einem vom LSBTIQ+ Forum und der Kunstkommission ausgelobten Wettbewerb gegen Motive von zwölf anderen Künstler*innen durchgesetzt (queer.de berichtete). Das Werk reiht sich bewusst in die Vielzahl bestehender Bronzefiguren in Düsseldorf ein, um diese ironisch zu brechen. Unter anderem die CDU hatte die Bildsprache allerdings auch als "zweifelhaft" kritisiert (queer.de berichtete). Seine Motive zeigten Gesten des Widerstands und der Selbstermächtigung, meinte Richter von der Bühne aus, Victory-Zeichen oder erhobene Fäuste seien etwa beim Stonewall-Aufstand häufig zu sehen gewesen. Das Mahnmal zeige so, dass "es immer wieder um den Kampf" gehe – und dass man diesen gemeinsam begehe: Die Figuren halten ihre jeweils andere Hand zusammen.

Jugendliche des queeren Jugendzentrums PULS zeigten dann auch mit Plakaten mit einem kurzen und eingekürzten Jahres-Protokoll der queeren Geschichte der Bundesrepublik, dass der Kampf noch nicht abgeschlossen ist. "1994: Abschaffung §175", hieß es etwa auf einem, "Morgen: Selbstbestimmungsgesetz für trans*, inter* & nichtbinäre Menschen" auf einem anderen. So nutzten die Jugendlichen bereits den "Ort gelebter Emanzipation", wie Gabriele Bischoff das Mahnmal beschrieb. "Wir stehen hier, weil es Menschen wie diese gab", betonte sie zu den Figuren. Die selbstsicheren und durchaus zeitlosen Personen seien nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit und an Verfolgung, sondern zeigten ein Gedenken an Menschen, die für etwas einstehen: Vielfältig, gemeinsam und in die Zukunft hinein.

Angrenzend an der Wiese am Altstadt-Rhein begannen da bereits die Aufbauarbeiten zum diesjährigen CSD-Straßenfest am Johannes-Rau-Platz, das von Freitag bis Sonntag stattfindet. "Solidarität hat viele Farben" lautet das Motto des aus dem Frühjahr verschobenen Prides. Die CSD-Demonstration ist für Samstag geplant. (nb)
Das Ding steht nun, und ich war ja trotz meiner hier zurückgehalten Zweifel auch dafür. Leider waren meine Zweifel zu sehr berechtigt. Das Ding soll wegen der erhobenen Fäuste und der Victoriezeichen einen Anklang an Stonewall haben? Vergiss es! Was sagen die Blicke der Figuren? Verzweiflung. Selbstaufgabe. Lethargie. Nichts ist da von Stonewall. Dann die Strenge der Figuren. Mit den Fäusten und Victoriezeichen eben stalinistischen Denkmälern entlehnt. Die Gesichter anscheinend das Leid der KZ-Opfer aufgreifend. Hätte Richter sich doch die Filme zu Stonewall genau angesehen und sich zu Herzen genommen. Stattdessen der Bruch mit und Missbrauch von Stonewall. In den Gesichtern von Stonewall war zwar auch Zweifel, gepaart aber mit eben konsequentem "Widerstand", weniger mit "Selbstermächtigung". Mit dem Denkmal ist aber auch nichts gelungen.