Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/b?3754

Die lesbische Fotografin, die um die Welt reiste

Porträt von Annemarie Schwarzenbach mit Kamera, 1939 (Bild: Esther Gambaro, Nachlass Marie-Luise Bodmer-Preiswerk)
  • 19. April 2022, noch kein Kommentar

Das Bechtler Museum of Modern Art in Charlotte zeigt die erste große US-Retrospektive, die der Fotografie von Annemarie Schwarzenbach gewidmet ist.

Die Schriftstellerin, Journalistin, Fotografin, Reisende, Kosmopolitin und Modeikone Annemarie Schwarzenbach (1908-1942) war eine der schillerndsten und widersprüchlichsten Figuren der modernen Schweizer Kulturgeschichte. Von Fernweh, dem Wunsch nach sozialem Fortschritt und Abenteuerlust getrieben, reiste Schwarzenbach zwischen 1933 und ihrem Tod im Jahr 1942 ausgiebig durch Europa, Zentralasien, Zentral- und Nordafrika sowie die Vereinigten Staaten. Obwohl sich Schwarzenbach in erster Linie als Schriftstellerin verstand, war sie eine Pionierin des Fotojournalismus in der Schweiz. Ihre Arbeit als Journalistin, ihre Herkunft aus der Oberschicht und ihr Status als Ehefrau des französischen Diplomaten Claude Clarac gewährten ihr eine für die damalige Zeit außergewöhnliche Reisefreiheit.

"Annemarie Schwarzenbach: Departure Without Destination", präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee in Bern, ist die erste große Retrospektive, die der Fotografie von Annemarie Schwarzenbach gewidmet ist. Das Bechtler Museum of Modern Art präsentiert die US-Premiere von Schwarzenbachs Werk, das bis zum 19. Juni 2022 zu sehen ist. Die von Martin Waldmeier in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Paul Klee kuratierte Ausstellung zeigt Archivmaterial, Filme und 200 Fotografien aus dem rund 7000 Fotografien umfassenden Nachlass von Annemarie Schwarzenbach, der sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern befindet.


Zu Besuch in der Highlander Folk School, Monteagle, Tennessee, USA 1937 (Bild: Schweizerisches Literaturarchiv / Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Nachlass Annemarie Schwarzenbach)

Schwarzenbach wurde 1908 in die wohlhabende Zürcher Industriellenfamilie Schwarzenbach-Wille hineingeboren und absolvierte ein Geschichtsstudium in Zürich und Paris. Aufgrund ihrer politischen und sexuellen Orientierung wandte sie sich von ihrer konservativen Familie ab und knüpfte Kontakte zur deutschen literarischen Diaspora, insbesondere zu den Geschwistern Klaus und Erika Mann. 1931 lebte sie in Berlin, bevor sie nach der nationalsozialistischen Machtergreifung nach Spanien, Russland und in den Iran zog, wo sie Prosa und journalistische Schriften veröffentlichte. Im Kein & Aber Verlag erschien im Frühjahr 2020 Schwarzenbachs lesbische Erzählung "Eine Frau zu sehen" (queer.de berichtete).

Trotz ihres jahrelangen Kampfes mit der Drogenabhängigkeit professionalisierte sich Schwarzenbach im Laufe der 1930er Jahre als Reise- und Reportagejournalistin. Auf gemeinsamen Reisen mit Schriftstellerinnen und Fotografinnen wie Ella Maillart, Marianne Breslauer und Erika Mann wendet sie sich sozialen und politischen Themen zu, darunter dem Aufstieg des Nationalsozialismus, der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten, den Folgen der Modernisierung und der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Ihre Fotografien offenbaren aber auch eine Sehnsucht nach fremden Ländern und der Poesie des Reisens. Zu ihren Lebzeiten wurden rund 300 Artikel von Schwarzenbach in Schweizer Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht. Ab 1933 wurden diese Artikel zunehmend von ihren eigenen Bildern begleitet, obwohl die meisten von Schwarzenbachs Fotografien bis zu ihrem Tod im Alter von 34 Jahren unveröffentlicht blieben.

Erst in jüngster Zeit wurden Schwarzenbachs Beiträge zur Fotografie anerkannt. Ihre Bilder und Schriften sind eng miteinander verwoben und dokumentieren die Umwälzungen, Spannungen und Konflikte der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Schwarzenbachs Fotografien vermitteln auch private Themen wie das Leben im Exil, die Suche nach Identität, Homosexualität und den Wunsch, die konventionellen Geschlechterrollen zu überschreiten. Vor allem aber drücken die Fotografien Schwarzenbachs unbändige Reiselust aus – und ihre Suche nach Begegnungen mit dem Unbekannten, dem "Aufbruch ohne Ziel" als existenzielle Erfahrung.

Der Ausstellungstitel bezieht sich auf das Leben von Annemarie Schwarzenbach, das von großer Rastlosigkeit, Heimatlosigkeit, Entwurzelung, Aufbruch und der Suche nach Hoffnung in der Fremde geprägt war. Diese Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch ihre Schriften und ihr fotografisches Werk und verbinden das Werk mit der literarischen Tradition der Moderne.

Das Bechtler Museum of Modern Art ist das einzige Museum im Süden der Vereinigten Staaten, das sich ausschließlich der europäischen und amerikanischen Kunst der Moderne und ihrem Erbe widmet. (cw/ots)


-w-
-w-