Die australische Regierung plant eine umfangreiche Sperrliste für problematische Internet-Seiten. Nachdem wikileaks eine Filterliste veröffentlichte, ist nun klar: auch schwule Seiten sind betroffen. Auch in Deutschland soll es Sperrungen geben.
Von Norbert Blech
Das geplante harte Vorgehen der australischen Regierung gegen unliebsame Inhalte im Internet hat heftige Proteste innerhalb der Web-Community ausgelöst. Umstritten ist vor allem eine schwarze Liste, auf der die zuständige Aufsichtsbehörde Australian Communications and Media Authority (ACMA) problematische Webseiten zusammengefasst hat und die als Grundlage für Blockierungen durch die Internet-Provider dienen soll. Wie der australische Kommunikationsminister Stephen Conroy gegenüber dem "Sydney Morning Herald" ausführt, würden darunter vor allem kinderpornografische und gewaltverherrlichende Materialien sowie Inhalte fallen, die detaillierte Anleitungen für Verbrechen geben oder ausdrücklich die Durchführung von Terroranschlägen gutheißen.
Youtube-Videos und schwule Pornos gesperrt
Nachdem die Liste kürzlich auf dem Online-Portal Wikileaks aufgetaucht war, konnte sich die Öffentlichkeit selbst von dem tatsächlichen Ausmaß der Internetzensur in Down Under überzeugen. Die für die Regierung überaus peinliche Veröffentlichung zeigt nämlich, dass die ACMA es nicht nur ausschließlich auf verbotene Webangebote abgesehen hat, sondern auch auf Online-Poker-Seiten, YouTube-Links (obwohl Youtube sich mehr als genügend selbst zensiert) und sogar Wikipedia-Einträge und Homepages von bestimmten Glaubensgemeinschaften. Auch zahlreiche, recht willkürlich ausgewählte schwule Pornoseiten finden sich darunter.
Wikileaks hatte in den letzten Monaten auch offizielle Sperrlisten aus Dänemark, Schweden und Thailand veröffentlicht. Alle ursprünglich im Kampf gegen Kinderpornografie entstanden, diente die Liste in Thailand recht schnell zur Sperrung von über 1000 Seiten, die die königliche Familie kritisierten. In Dänemark und Schweden fanden sich auf der Liste auch schwule Pornoseiten ohne jeglichen Kinderporno-Bezug wieder, etwa BDSM-Seiten.
Filterlisten in Deutschland
In Deutschland wird derzeit in der Regierungskoalition über die Einführung einer ähnlichen Filterliste gestritten. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen will ein entsprechendes Gesetz, setzt derzeit aber gleichzeitig auf Gespräche mit den größten Providern, die sich freiwillig in Verträgen mit dem Bundeskriminalamt dazu verpflichten sollen, vom BKA ermittelte Seiten mit kinderpornografischem Inhalt zu sperren. Ist eine Sperrung erst mal technisch einfach möglich, werden sich vermutlich weitere Begehrlichkeiten ergeben: vor Gerichten, die über Urheberrechte entscheiden, oder auch bei Einrichtungen, die Seiten sperren wollen, die nicht den deutschen Jugendschutzbestimmungen entsprechen (trifft auf die meisten schwulen Pornoseiten aber auch auf Dating-Portale wie gayromeo zu). Datenschützer warnen vor einer Filterung, zumal bei Aufruf einer gelisteten Seite eine Warnmeldung vom Server des BKA ausgeliefert werden soll. Das schafft Protokollierungsmöglichkeiten und Anreize zu einer Strafverfolgung.
Das solche Befürchtungen nicht an den Haaren herbei gezogen sind, zeigt der Fall eines Bloggers aus Deutschland, der auf die Sperrliste der dänischen Behörden bei Wikileaks aufmerksam gemacht hatte, um die Liste wegen der Sperrung von eindeutig nicht kinderpornografischen Seiten zu kritisieren. Er hatte dafür einen Link zu einer Seite gesetzt, die einen Link zu der Datei von Wikileaks gesetzt hatte. Das reichte einer Staatsanwaltschaft und einem Richter, um eine Hausdurchsuchung zu erlassen, Computer zu beschlagnahmen und Ermittlungen wegen Besitz und Verbreitung kinderpornografischer Schriften aufzunehmen. Der Durchsuchungsbeschluss geht davon aus, dass der Beschuldigte Seiten aus der Liste getestet hätte und sich damit kinderpornografisches Material zumindest im Cache finden lassen würde.
Die australische Opposition kritisierte indessen die Pläne der Regierung scharf. "Es ist zwar bedauerlich, aber die Realität zeigt, dass sich illegale Webinhalte auch nicht durch schwarze Listen und Filtersysteme verhindern lassen. Diejenigen, die das nötige Know-how besitzen, werden immer einen Weg finden, an diese Inhalte heranzukommen", entgegnet der Kommunikationssprecher der politischen Opposition Australiens, Senator Nick Minchin. "Der effizienteste Weg, um die Sicherheit für Kinder und Jugendliche im Netz zu verbessern, führt vielmehr über die Eltern. Diese müssen sich stärker auf ihre Aufsichts- und Kontrollaufgabe konzentrieren", so Minchin. (nb/pte)
Ah, wir gehen herrlichen Zeiten entgegen.