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- 09. April 2009 3 Min.
Die Deutsche Aids-Hilfe ergänzt ihre Präventionsstrategie: Das Risiko, sich beim Bareback-Sex anzustecken, ist unter bestimmten Voraussetzungen gering, erklärt die DAH in einem neuen Positionspapier.
Von Dennis Klein
Mit ihrem neuen Ansatz will die DAH HIV-Positive "entstigmatisieren" und "irrationale Ängste" abbauen. Mit der seit über einem Jahrzehnt zur Verfügung stehenden antiretroviralen Therapie könne die Viruslast inzwischen so weit gesenkt werden, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Übertragung der Infektion bei "sexuellen Kontakten ohne Kondom … unwahrscheinlich" sei. Lediglich drei Voraussetzungen müssten erfüllt sein: Erstens muss die Viruslast des HIV-positiven Partners seit sechs Monaten unter der Nachweisgrenze liegen. Zweitens müssen die antiretroviralen Medikamente konsequent eingenommen werden. Drittens dürfen bei den Sexualpartnern keine Schleimhautdefekte vorhanden sein. Diese sind häufig Folge sexuell übertragbarer Infektionen.
Die neue Botschaft ergänzt das jahrzehntealte Mantra "Kondome schützen" – und soll die Lebensqualität von HIV-Positiven verbessern. Die Entscheidung gegen das Kondom führe nun nicht mehr zu Schuldgefühlen. Wenn Positive in einer Beziehung mit einem negativen Partner leben, werde auch diesem die Angst genommen, so die DAH.
Das Thema hat bereits vor gut einem Jahr für Aufsehen gesorgt. Damals hat die "Eidgenössische Kommission für Aidsfragen" (EKAF) dieselben Empfehlungen wie jetzt die DAH ausgesprochen (queer.de berichtete). Bei der Welt-Aids-Konferenz waren diese Ansichten allerdings umstritten (queer.de berichtete). So erklärten amerikanische Professoren, dass es nicht genug Langzeitstudien gebe, um diese Empfehlungen zu untermauern. Auch sei die Botschaft zu lang – bei vielen HIV-Positiven könnte lediglich im Kopf hängen bleiben, dass Sex ohne Kondom jetzt generell in Ordnung sei.
Die Deutsche Aids-Hilfe weist aber ausdrücklich daraufhin hin, dass ein Restrisiko besteht. Dies sei aber vergleichbar mit dem Restrisiko, das auch bei der Kondom-Benutzung vorhanden ist. "Ob der oder die Einzelne es akzeptiert, ist seine oder ihre autonome Entscheidung. Aufgabe der Prävention ist es, die nötigen Informationen für die Kommunikation über dieses Risiko und für das individuelle Risikomanagement zielgruppengerecht und an den Interessen der Zielgruppen orientiert bereitzustellen."
Insbesondere bei One-Night-Stands rät die DAH weiter zur Vorsicht: "Beim Sex mit Gelegenheitspartnern empfiehlt sich weiterhin die Verwendung von Kondomen, da die Bedingungen der regelmäßigen Kontrolle [von sexuell übertragbaren Krankheiten] (um die Abwesenheit von Schleimhautdefekten bei beiden Partnern zu überprüfen), der Kommunikation und der gemeinsamen Entscheidung hier in der Regel nicht gegeben sind."
Die Aids-Hilfe will hierbei keine Verhaltensmaßregeln aufestellen, sondern betont stets, dass die Verantwortung weiterhin beim Einzelnen liegt. Man wolle lediglich Informationen geben, damit jeder "selbstbestimmt und verantwortungsvoll mit den Risiken von HIV/Aids" umgehen kann. Positiven zu drohen, lehnt die DAH ab: Aus Respekt könne man Einzelne nicht zu "maximal präventivem Verhalten" zwingen.

Links zum Thema:
» Positionspapier