
https://queer.de/?10258
- 14. April 2009 4 Min.
Wer Kondome mit in den Koffer packt, der kann sich beim heißen Urlaubsdate ohne große Sorge vor AIDS vergnügen. Doch wie sieht mit anderen Risiken aus, wie zum Beispiel bei der Hepatitis? Tipps und Tricks, wie man sich bereits vor der Reise schützen kann.
Von Christian Scheuß
Tobias hatte es sich gut gehen lassen während seines letzten Urlaubs an der Adria. Tagsüber eisgekühlte Drinks im Schatten der Palmen, abends ordentlich Schlemmen bei frischem Fisch und Meeresfrüchten. Kaum vier Wochen nach seiner Rückkehr sind zwar immer noch alle neidisch auf seine Bräune, doch den 25-Jährigen quälen plötzlich diverse Krankheitssymptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Fieber, Durchfall und eine unglaubliche Abgeschlagenheit. Sein Arzt horcht beim Stichwort Urlaub auf, macht ein paar Bluttests und stellt schon bald fest: Der Hepatitis A Virus hat sich eingenistet, vermutlich übertragen durch verunreinigte Lebensmittel, die Eiswürfel oder unsauberes Wasser.
Hepatitis, das ist eine Entzündung der Leber, dem Organ, das die Funktion einer gründlichen Putzhilfe erfüllt. Sie filtert kontinuierlich all die Stoffe aus unserem Körper raus, die nicht in den Blutkreislauf gehören. Das Hepatitis-Virus fühlt sich im Lebergewebe wohl und richtet sich dort, je nach Typus, sogar häuslich ein. Die Entzündung wird chronisch, auf Dauer wird die Leber zerstört (Leberzirrhose). Mehrere Millionen Menschen in Europa, so schätzt die "Deutsche Leberstiftung", leiden an einer chronischen Leberentzündung, mehrere tausend kommen jährlich hinzu.
Tobias hatte noch Glück im Unglück, denn sein Virus war vom Typ A, also dem harmlosesten in der Hepatitis-Buchstabenreihe, die derzeit bis G reicht. Hep-A heilt nach einigen Wochen wieder aus und verläuft nicht chronisch. Kritischer sieht es bei Carsten aus. Der 37-Jährige ist kein Kind von Traurigkeit, hat gern und oft Sex, reist dafür auch gern schon mal in die Nachbarländer zu diversen Sex- und Fetischpartys. Das er sich dabei mit sexuell übertragbaren Krankheiten anstecken kann, ist ihm bewusst. Beim deshalb ausgeführten Routinecheck durch seinen Hausarzt stellt dieser Marker im Blut fest, die eine erfolgte Infektion mit Hepatitis-B belegen. Carsten wundert sich, da er in den vergangenen Monaten keinerlei Symptome hat feststellen können, wie die typische Gelbfärbung der Haut und der Augäpfel (Daher auch der Name "Gelbsucht"). Das man nichts von der Infektion mitbekommt, ist typisch für Hepatitis, klärt ihn sein Arzt auf. In zwei Dritteln aller Fälle merkt der Infizierte nichts. Jetzt kann Carsten nur abwarten und hoffen. Denn sollte die Hepatitis nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Infizierung von allein ausgeheilt sein, wird sie chronisch und muss lebenslang medikamentös behandelt werden.
Hepatitis B und C werden ähnlich übertragen wie HIV: vor allem sexuell und durch Blut-Blut-Kontakt. Hepatitis-Viren sind jedoch weitaus widerstandsfähiger und daher auch sehr viel leichter übertragbar als HIV. Zum Beispiel durchs Küssen. Auch Hepatitis A kann man sich durch Sex einfangen, nämlich bei allen oral-analen Kontakten wie zum Beispiel beim Rimmen. Deshalb reduziert Safer Sex das Risiko auch nur wenig. Die Gelbsucht ist zudem weltweit unterschiedlich stark verbreitet. Asien, Afrika und Südamerika gehören zu den Kontinenten mit höherem Risiko, aber auch in der Mittelmeerregion ist es wahrscheinlicher, auf eine infizierte Person zu stoßen. Wer also bislang noch keine Vorsorge getroffen hat und einen Urlaub in wärmeren Regionen plant, der sollte nicht nur checken, ob der Reisepass noch gültig ist. Er sollte auch mit seinem Impfpass zum Arzt, und sich eine Immunisierung gegen Hepatitis A und B verpassen lassen. Da homosexuelle Männer zur Gruppe der Personen mit einem hohen Risiko gehören, übernehmen die Krankenkassen in der Regel die Kosten für den Schutz, der sonst etwa 180 Euro kosten würde. Gegen Hepatitis C gibt es leider keine Impfung, und man ist nach einer erfolgten Infektion auch nicht immun dagegen. Noch tückischer: Unbehandelt wird Hep-C in den meisten Fällen chronisch.
15% der HIV-Positiven in Deutschland haben auch eine chronische Hep-C
Der 45-jährige Manfred ist seit ein paar Jahren HIV-positiv, dank der Kombitherapie ist sein Immunsystem aber fit und das HI-Virus in Schach gehalten. Da er seit Jahrzehnten gern Urlaub in Südostasien macht, hat er sich vorbeugend gegen Hep-A und –B impfen lassen. Er weiß durch den Berater der AIDS-Hilfe, dass schätzungsweise etwa 6.000 der in Deutschland HIV-positiven Patienten (15%) auch eine chronische Hep-C haben. Da diese Co-Infektion das Immunsystem zusätzlich schwer belastet – dadurch beide Erkrankungen schwerer und schneller verlaufen können - möchte er eine solche Situation natürlich vermeiden. Aber bange machen lassen will er sich auch nicht. Deswegen geht er alle sechs Monate zum Test für diverse sexuell übertragbare Krankheiten. Sollte er nach der romantischen Nacht mit seinem Lover in der Strandhütte eine Hepatitis-Infektion mit nach Hause gebracht haben, kann dies rechtzeitig festgestellt und noch in der akuten Phase der Erkrankung mit dem dafür üblichen Wirkstoff Interferon gegengesteuert werden. Damit bei ihm nur das Fernweh chronisch bleibt, die Gelbsucht jedoch verschwindet.
