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- 07. Mai 2009 3 Min.
Am Gründonnerstag soll ein junger Mann mit einem Freund seine Eltern und zwei Schwestern erschossen haben. Das Magazin "Stern" fragt nun: Waren die vermuteten Täter ein schwules Paar? Und liegt in der Homosexualität ein Motiv?
Von Norbert Blech
Es könnte das umstrittenste Outing der letzten Jahre werden: Der "Stern" lässt in seiner neuen Ausgabe Zeugen zu Wort kommen, die den beiden Verdächtigen des Vierfach-Mords in Eislingen eine Beziehung unterstellen und darin ein Motiv sehen.
Mit zwei Kleinkaliberpistolen wurden in der 20.500-Einwohner-Kleinstadt zwischen Ulm und Stuttgart das Elternpaar Hansjürgen (58) und Else H. (55) sowie bereits zuvor deren beide Töchter Annemarie (22) und Ann-Christin (24) erschossen. Die Polizei nahm wenig später Familiensohn Andreas (18) und seinen Kumpel Frederik B. (19) fest, nachdem Schmauchspuren an ihren Händen gefunden wurden. Frederik gestand über seinen Anwalt: "Wir waren das zusammen".
Es ist teilweise eine Story mit Klischee-Vokabeln, die der "Stern" nun von fünf Reportern erzählen lässt: Kleinstadt, eine Familie, heile Welt: "So bleibt die Frage, die alle quält: Warum? Ausgerechnet die H.s, die so nett waren, so höflich so perfekt? (...) Heraus kam ein Bild, das gar nicht dem entsprach, das sie nach außen vermittelte." Der Vater, Heilpraktiker und CDU-Mitglied, wird als streng und cholerisch gezeichnet, was freilich in nicht wenigen Familien vorkommen soll.
Kichern und totschweigen
Der Sohn, Jakobsweg-Gänger und Mitglied der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, soll "ein arg netter Kerl" gewesen sei, der, spekuliert der "Stern", Probleme hatte, eine angeblich hohe Erwartungshaltung der Vaters zu erfüllen. Niemand im Ort habe ihn mit einer Freundin gesehen, und nach der Tat - nach der Tat - interpretieren nun zwei Bekannte Fotos, die den Sohn und seinen Kumpel Frederik zeigen, als schwul: "Zwischen denen war einfach was", vermutet nun einer, ein anderer ergänzt: "Ich mag nicht glauben, dass ich das bis zuletzt nicht gemerkt habe".
Nur ein dritter Zeuge, Wirt einer (heterosexuellen) Szenekneipe, behauptet über frühere Besuche der beiden Teenager, die sich in der zehnten Klasse kennengelernt und seitdem viel Zeit miteinander verbracht hatten: "Hier war allen klar, dass die beiden homosexuell sind." In der Schule hätten Mitschüler gekichert, die beiden Schwestern hätten Bescheid gewusst und sich ebenfalls amüsiert.
Mehr "Beweise" führt der "Stern" nicht auf, geht nun aber auf Motivsuche. "Aber sich outen? In diesem Kaff, in dem jeder jeden beobachtet", fragt das Magazin. Familenvater H. wäre mit der Homosexualität seines Sohnes nicht zurecht gekommen, attestiert jedenfalls eine "Freundin der Familie". Auch die "Bild" fragt nun: "Liegt hier etwa das Motiv für das Familiendrama? Wollte Andreas mit Hilfe seines Freundes aus dem strengen Familienleben ausbrechen?"
Ein Mord aus Schande über die eigene Homosexualität, ein Mord aus Wut über Homophobie? Eine gewagte, sehr monokausale These, mit der sich aber die Gesellschaft auseinandersetzen muss, sollte sie sich bewahrheiten. Fest steht, dass die Tat lange im Voraus geplant war: bereits im Oktober 2008 hatten die vermuteten Täter Waffen aus einem Schützenhaus gestohlen. Viel mehr steht nicht fest. Die Beklagten schweigen, und ob ein Prozess die Motive der Tat herausstellen kann, wird sich zeigen müssen.












