Schwule sollen sich besser vor Hass-Verbrechen schützen können: Aktivisten in den USA fordern daher eine weitere Liberalisierung der Waffengesetze, damit Angehörige von möglichen Opfergruppen leichter aufrüsten können.
Von Dennis Klein
Während die relativ laxen Waffengesetze in Deutschland mit der Freiheit von Sportschützen erklärt wird, geht es in den Vereinigten Staaten handfester zur Sache: Hier sagen Waffen-Lobbyisten, dass jeder freie Bürger das Recht haben solle, sich vor Angreifern mit potenziell tödlichen Pistolen, Gewehren oder halbautomatischen Waffen auszustatten. Zwar sind bereits jetzt Waffen in vielen Teilen der USA leichter zu haben als eine Flasche Schnaps, aber dennoch feiert die Liberalisierungsbewegung Erfolge: Auch viele Homo-Aktivisten setzen sich für die Maxime "freier Waffenhandel für freie Bürger" ein – und ein Gesetz zum Schutz von Schwulen und Lesben vor Hassverbrechen könnte zu einer weiteren Aufweichung der Waffengesetze führen.
Aktivisten bombardieren derzeit Abgeordnete des US-Kongresses, ein Gesetz zum Schutz für Homosexuelle mit einem Zusatz zu versehen, das den Waffenhandel erleichtert. Das auf der Tagesordnung stehende Matthew-Shepard-Gesetz sieht bei Verbrechen, die aus Hass auf Schwule und Lesben begangen wurden, ein höheres Strafmaß verbindlich vor. Das Repräsentantenhaus hat dem Entwurf bereits im April zugestimmt (queer.de berichtete). Lobbyisten wollen nun erreichen, dass in diesem Gesetz auch Waffenbesitzern grundsätzlich erlaubt wird, ihr Kampfgerät von einem Bundesstaat in den nächsten zu transportieren. Derzeit gibt es hier mehrere strikte Verbote auf Länderebene. Die Mehrheit der Republikaner spricht sich für eine Liberalisierung aus, während die meisten Demokraten das Recht auf Waffenbesitz eher einschränken wollen.
Waffenlobby auf dem Vormarsch
Bereits im letzten Monat haben Waffenlobbyisten einen Sieg erzielt: Bei einem Kreditkartenreformgesetz haben sie einen Zusatz in den Entwurf einbauen können, der das versteckte Tragen von Waffen in Nationalparks erlaubt. Bislang war dies verboten. Präsident Barack Obama hatte dann nur die Möglichkeit, das gesamte Gesetz zu unterschreiben oder mit seinem Veto zu verhindern, nicht aber Teile davon. Er unterschrieb.
Unter vielen Abgeordneten findet die Waffenlobby offene Ohren: "Es ist sinnvoll, dass eine Gruppe, die gegen Hassverbrechen geschützt werden soll, auch in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen", erklärte der Mitarbeiter eines republikanischen Senators anonym gegenüber der Hauptstadtpresse. "Das ist relevant. Wir wollen mit Homo-Gruppen zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen."
Gerade für schwul-lesbische Republikaner ist das Thema identitätsstiftend, weil die Partei Homo-Forderungen meist kritisch gegenüber steht – sich aber für das in der Verfassung festgeschriebene "Recht auf Waffenbesitz" einsetzt. "Wir unterstützen das, weil es möglichst einfach für homosexuelle Menschen sein sollte, sich zu schützen", erklärte Jimmy LaSilva von der republikanischen Homo-Gruppe GOProud. Man habe deshalb bereits mit zwei Senatoren konstruktive Gespräche geführt.
Sicher im Cruising-Park
Vorreiter für die private Aufrüstung sind die Pink Pistols. Die vor zehn Jahren in Boston gegründete Homo-Gruppe setzt sich für das Recht ein, mit halbautomatischen Waffen im Einkaufszentrum spazieren zu gehen. Ihr Motto lautet: "Bewaffnete Schwule werden nicht verprügelt". Auch sie setzen sich für eine Liberalisierung ein: "Die Selbstverteidigung mit einer Waffe ist eine praktikable Methode der Selbstverteidigung", erklärte Pink-Pistols-Sprecherin Gwen Patton. "Stell dir vor: Dir folgt jemand in einem Cruising-Park. Plötzlich stehen gewalttätige Männer mit Schlagstöcken vor dir und schreien: ‚Hey, Schwuchtel’. Du holst deine versteckt gehaltene Waffe heraus. Sie sagen: ‚Er hat eine Waffe’ und lassen ihre Schlagstöcke fallen und laufen weg. Kein einziger Schuss wurde abgegeben, aber eine Schlägerei wurde verhindert."
Noch ist unklar, ob die Befürworter genug Stimmen zusammenbekommen, um den Gesetzeszusatz einzufügen. Gegner im Parlament weisen darauf hin, dass eine Ausweitung des Waffenbesitzes nicht zu einem friedlicheren Zusammenleben führen könne. Sie warnen vor einem Rüstungswettlauf in privaten Haushalten, was auch zu einer Zunahme der Unfälle führen könne.
GOProud hat allerdings noch einen anderen Gedanken im Hinterkopf. Jimmy LaSilva hofft, auf diese Weise erstmals konservative Gruppen für ein Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Schwulen und Lesben begeistern zu können: "Was passiert, wenn die rauskriegen, dass sie für ein Homo-Gesetz stimmen wollen? Das wird viele Leute in die Bredouille bringen. Es wäre lustig zu sehen, wie sie das erklären."
Laßt uns lieber versuchen, das Problem mit Besonnenheit, Witz und Verstand anzugehen.
Carolo