Sacha Cohen’s Persiflage des exzentrischen schwulen Modejournalisten aus Österreich ist genial. Wie bei "Borat" gibt es wieder heißliebende Fans und völlig ablehnende Gegner.
Von Christian Scheuß
Der Reflex auf Brüno ließ nicht lange auf sich warten. Sein "gut gemeinter Versuch einer Satire ist an vielen Stellen problematisch, an anderen geradezu beleidigend", erklärte Rashad Robinson von der US-Organsisation Gay and Lesbian Alliance Against Defamation. Man habe Sorge, dass sich Vorurteile gegenüber Homosexuellen festigen würden. Die alte Argumentation im Stile von "Tunten auf dem CSD stören, da sie Heteros ein Zerrbild von Homosexualität zeigen."
Der Satiriker Sacha Baron Cohen braucht diese Berührungsängste nicht zu haben, als Hetero unterliegt er nicht der Versuchung, anderen Heteros seine Angepasstheit und bürgerliche "Normalität" unter Beweis zu stellen. Er kann aus der Kiste mit den Klischees aus dem Vollen schöpfen, und das tut er mit aller Lust. Verblüffend ist, dass er mit seiner Masche, völlig beknackt auszusehen und völlig überdreht aufzutreten – überhaupt so viele Chancen bekommen hat, Interviews zu führen und Drehgenehmigungen zu erhalten.
Man kann sich streiten über die Qualität der Gags, die Frage, ob er noch über- oder bereits unterhalb der Gürtellinie bewegt oder ob er jetzt tatsächlich hier und da jemanden beleidigt. Alles wie bei Borat. Doch eines kann man mit Sicherheit feststellen: Seine Absicht, Dummheit, Homophobie, Rassismus und sonstige Abscheulichkeiten des menschlichen Miteinanders zu entlarven, das ist ihm auch dieses Mal gelungen. Wie gefährlich dies mitunter werden kann, beschreibt eine Szene in Arkansas:
Youtube | Offizieller engl. Trailer
Der Cage Fight, bei dem sich Brüno und die Liebe seines Lebens im Ring gegenüber stehen, gehörte zu den riskantesten Gags der Produktion. Mitwirkende und Zuschauer wurden live Zeugen, als die Beziehung zwischen Brüno und seinem Reisegefährten Lutz erblühte.
Anfang Juni 2008 buchte die Produktion eine Halle in Texarkana, Arkansas, und veranstaltete einen sogenannten "Blue Collar Brawlin"-Abend. Das Programm: Extrem-Wrestling und billiges Bier. Brüno, im Verlaufe des Films inzwischen gestählt durch monatelange harte Feldstudien in Sachen "Wie werde ich ein Hetero?" auf Amerikas Straßen, würde gegen jeden antreten, der es wagt, den Macho herauszufordern.
Am ersten Abend stellte die Arena im Südwesten von Arkansas zunächst nur Polizisten als Security ab. Doch als das Filmteam die Beamten wissen ließ, dass sich das Publikum echauffieren könnte, wenn sich im Laufe der Show zwei Männer küssen, machte die Polizei einen Rückzieher. Man werde jedoch anrücken, falls es Beschwerden von Seiten der Zuschauer geben sollte und Probleme auftreten. Und genauso sollte es auch kommen.
Darsteller und Crew standen also allein da. Kurz nach der ersten Umarmung der beiden Männer flogen Stühle und ein Kämpfer, der das Treiben aus dem Zuschauerraum verfolgt hatte, kletterte in den Käfig und forderte Baron Cohen zum Kampf. Regisseur Charles bekam zwar nicht die benötigten Aufnahmen, aber immerhin konnten Baron Cohen und die Crew gerade noch entkommen. Die Polizei ließ sich übrigens nicht blicken.
Über Nacht wurde die Operation Brüno einige Fahrstunden gen Norden nach Fort Smith, Arkansas, verfrachtet. Dort angekommen nahm die Polizei von Fort Smith wegen des Vorfalls in Texarkana Kontakt zum Team auf: Die Beamten standen für das Event nicht länger zur Verfügung. Da nur die örtliche Polizei als Sicherheitsdienst für das Convention Center zugelassen war, dachte die Produktion schon, das Glück habe sie verlassen. Erfreulicherweise konnten sich die Produzenten persönlich mit dem Polizeichef und diversen anderen Beamten treffen und ihre Unterstützung gewinnen.
Mit einschlägigen Erfahrungen gerüstet sorgte das Team dafür, dass bei dem Event in Fort Smith keine Glasflaschen zugelassen waren (die als Wurfgeschosse benutzt werden könnten), und banden die Stühle mit Draht zusammen, damit die Fans sie nicht in den Ring wuchten konnten.
Nur Sekunden nach dem Kuss rastete das Publikum aus. Kurz darauf riss ein Zuschauer einen Stuhl los und schleuderte ihn nach Baron Cohens Kopf. Die Situation drohte völlig zu eskalieren, und die Mitwirkenden wurden in Windeseile aus der Halle gebracht. Zuschauer und Kämpfer schrien Schimpfwörter im Chor und umzingelten den Bus der Produktion, wo das Team mehrere Stunden in der Falle saß; 40 Polizeibeamte aus Fort Smith halfen mit, Cast und Crew zu befreien und die wütende Menge im Zaum zu halten.
www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/schamlos-charmanter-held
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an:
"Nachdem ich die Vorschau gesehen habe, war mir klar, dass ein heterosexuelles Publikum diesen Film lieben wird, da er alle Vorurteile ueber Homosexuelle bestaetigt.
Ich bin fast versucht, Anzeige zu erstatten wegen Hetze gegen eine Volksgruppe. Das hier hat nichts mehr mit Humor zu tun."
Und Fakt ist: Diese Art der Volksverhetzung wird einen weitaus größeren Einfluss auf das Bewusstsein gerade junger Menschen haben als irgend etwas, das die Pius-Brüder ausstoßen!
Eigentlich sollten im Jahr 2009 schwule Jungs und Männer, ihre Erotik, Sexualität, Liebe und Partnerschaft regelmäßig und selbstverständlich und in derselben Weise wie Heterosexuelle in den Massenmedien, z.B. in Kinofilmen, in der Pop-Branche, in Musikvideos, vorkommen! Stattdessen erleben wir aber einen immer aggressiveren Rückfall auf plumpsten Heterosexismus und die dümmsten Akte der Stigmatisierung und Verunglimpfung von schwulen Männern!