In Chicago ist ein 30-Jähriger freigesprochen worden, der einen Schwulen mit einem alten Dolch umgebracht hatte – die Verteidigung argumentierte, der Angeklagte habe sich lediglich gegen die sexuellen Avancen des Opfers gewehrt.
Joseph Biedermann hat im Verfahren zugegeben, den 38-jährigen Terrance Hauser im März 2008 durch 61 Einstiche getötet zu haben. Trotzdem befanden ihn die Geschworenen des Mordes für nicht schuldig, weil er ausgesagt hatte, durch sein Opfer bedroht worden zu sein.
Die Beiden hatten sich am Tatabend offenbar zum ersten Mal in einer Bar getroffen, danach hatte Hauser Biedermann zu sich nach Hause eingeladen. Der Angeklagte sagte aus, er sei auf dem Sofa eingeschlafen. Als er aufwachte, habe ihn Hauser mit dem Dolch bedroht und forderte ihn zu sexuellen Handlungen auf. Außerdem habe er gedroht, Biedermann nach dem Sex zu töten. Daraufhin habe der so Überrumpelte dem Schwulen den Dolch in einem Kampf abnehmen können und auf seinen Gastgeber in Selbstverteidigung eingestochen. Beide Personen waren nach einer Blutuntersuchung betrunken: Hauser hatte 2,8 Promille Alkohol im Blut, Biedermann 2,3 Promille.
Die Staatsanwaltschaft argumentierte dagegen, dass es in der Wohnung keine Kampfspuren gegeben habe. Außerdem habe Biedermann nur kleine Schürfwunden gehabt, was für einen Kampf auf Leben und Tod höchst ungewöhnlich gewesen sei. Es habe sich hierbei um einen "kalten, brutalen, sinnlosen Mord" gehandelt, so der Staatsanwalt.
Die Verteidigung benutzte dagegen die "Gay Panic"-Verteidigungsstrategie, wonach die aggressive Homosexualität des Opfers den Täter zur Tat gezwungen habe. Sie argumentierte auch, dass ihr Mandant wegen der Sexualität des Opfers diskriminiert worden sei: "Wäre er eine Frau gewesen, die von einem gewalttätigen Mann angegriffen wurde, wäre es nie zu einer Anklage gekommen", so Verteidiger Sam Adam.
Nach dem Prozess verließ Biedermann das Gericht als freier Mann gemeinsam mit seinen Eltern. "Ich will jetzt mit meiner Familie sein und mit Gott", erklärte er dabei gegenüber einem Lokalreporter.
Biedermann könnte nun noch in einem Zivilprozess angeklagt werden. Wird er dort für schuldig befunden, muss er Schadensersatz an die Familie des Opfers zahlen. Eine erneute Aufnahme eines Strafprozesses ist aber nicht möglich. In den USA darf niemand eines Verbrechens angeklagt werden, wenn er zuvor bereits von einer Jury freigesprochen worden war. Auch eine Anklage wegen Totschlags oder gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge ist ausgeschlossen. Dabei spielt es keine Rolle, ob neue Beweise verfügbar sind. Der prominenteste Fall, in dem ein Mann wegen Mordes freigesprochen, aber dann im Zivilprozess verurteilt wurde, war der viel berichtete Prozess des Ex-Baseballspielers O.J. Simpson in den 1990er Jahren. (dk)
61 Stiche, keine Kampfspuren... ein Freispruch?
Wer saß denn in der Jury? Zwölf Stück Brot?
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Wie unheimlich sowas ist! Da wird einem ganz bange.
"Ich will jetzt mit meiner Familie sein und mit Gott"... ich hoffe, letzteren gibt es und irgendwo & irgendwann wird dieser Mörder das erleiden, was er für diese Tat verdient hat.