Der Blogger-Dienst schließt eine populäre Seite nach der anderen und schweigt zum Zensur-Vorwurf.
Von Norbert Blech
Das Hintergrundbilder-Blog "Wallpaper For the Gay Eye", die FKK-Bildchen-Sammlung "Be Naked Everywhere", die Amateur-Model- Zusammenstellung "The Hottest Pics of Boys on Flickr" oder das Hardcore-Blog "Loving Penetration" - sie alle sind in den letzten Tagen einer rätselhaften Aufräumaktion beim Google-Dienst Blogger zum Opfer gefallen.
Wo einen früher reiche Bildersammlungen erwarteten, wird man mittlerweile bei mindestens 40 der populärsten Erotik-Blogs beim Google-Dienst so begrüßt: das Blog sei wegen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen gesperrt bzw. "under review" (engl. Fassung), nur der Autor könne derweil darauf zugreifen. Oder, im selteren Fall: das Blog ist gelöscht.
Ist Pornographie verboten oder nicht?
Theoretisch kann es sich der Google-Dienst mit einer Begründung einfach machen: Die Nutzungsbedingungen von Blogger untersagen Pornografie, solange es sich um ein öffentliches Blog handelt. Doch schätzte ein Webmaster sein Blog selbst als Pornographie beinhaltend ein oder gab es entsprechende Beschwerden, gab sich der Dienst bislang mit einem (bei jedem Besuch und jedem Blog neu) vorgeschalteten Warn-Hinweis zufrieden. Eine Lösung, die dem deutschen Jugendschutz nicht entspricht, in Amerika aber rechtlich möglich ist und in der Praxis von Blogger jahrelang als Kompromiss gehandelt wurde.
Doch nun hat Blogger innerhalb weniger Tage zahlreiche Blogs gesperrt, zumindest vorrübergehend; darunter übrigens einige, die Erotik, aber kein einziges Porno-Bild enthalten. Während einige schwule Blogger von einer "Zensur" sprechen und sogar die US-Verfassung ins Spiel bringen, glauben einige an das Gute der Aktion: Google kämpfe derzeit gegen Pädophilie auf seinen Seiten und habe daher im ersten Schritt Seiten gesperrt, die etwa "daddy" oder auch "boy" im Titel enthalten. Doch eine Liste aller gesperrten Seiten widerlegt diese These.
Automatische Sperrung nach ein paar Beschwerde-Klicks?
Andere sehen einen Automatismus am Werk: In einer teilweise sehr homophoben Debatte in den Google-Foren zu Blogger gehen gelassene Stimmen davon aus, dass es eine Beschwerdewelle gegen die Blogs gegeben habe, vielleicht von christlicher Seite. Auf jeder Blog-Seite gibt es bei den Seiten unter blogspot.com eine schnelle, automatische Möglichkeit zum "Melden" problematischer Blogs. Gebe es eine gewisse Anzahl von Beschwerden, so die Theorie, werde das Blog erstmal gesperrt.
Damit geben sich Blogger freilich nicht zufrieden; sie ist auch problematisch, denn mit solch einem Automatismus ließen sich etwa auch kritische Seiten schnell für Tage sperren, es bräuchte nur genügend Beschwerden. Die gesperrten Blogger sehen mehr Grund zur Aufregung: zum einen wird, wie bei vielen anderen Problemen mit Google, dem Nutzer nicht mitgeteilt, womit genau man gegen die Nutzungsbedinungen verstoßen haben soll; auch allgemein hat der Konzern bisher nicht zum Thema Stellung genommen. Zum anderen verspricht Google nach einem Überprüfungsantrag des gesperrten Webmasters, in ein bis zwei Tagen das Blog zu prüfen und ggf. wieder freizuschalten. Doch das sei nun teilweise auch nach Wochen nicht geschehen.
Es gibt aber auch vereinzelte Fälle, in denen Blogs nach zahlreichen Überprüfungsanträgen und Beschwerden des Webmasters in den Google-Foren wieder freigeschaltet worden sind (vermutlich bis zur nächsten Beschwerdewelle). Es kann sich daher lohnen, die Blogs nicht vorschnell aus den Bookmarks, der Linkliste oder dem Feed-Reader zu löschen. Andere Blogs sind zu einer neuen Adresse bei Blogger selbst oder zu anderen Diensten umgezogen und werden nach und nach wieder in den Linklisten auftauchen. Doch einige Blogs bleiben verschwunden. Die "Lösch"-Aktion bei Blogger kann sich noch als Sturm im Wasserglas herausstellen, doch hat dieser genügend Chaos und Schaden hinterlassen.
Aber bei echter Zensur, da pfeift kein schwules A...loch danach!