Günter Kießling ist im Alter von 83 Jahren gestorben – der heterosexuelle Ex-General war vor 25 Jahren Opfer einer homophoben Kampagne.
Wie der Deutschlandfunk berichtet, starb Kießling am Freitagmorgen in seinem Heimatort Rendsburg (Schleswig-Holstein). Der Vier-Sterne-General wurde 1983 vom damaligen Verteidigungsminister Manfred Wörner gefeuert, weil er nach Erkenntnissen des Militärischen Abschirmdienstes schwul gewesen sein soll. Der MAD wollte erfahren haben, dass ein "Günter von der Bundeswehr" im Kölner Schwulenetablissement "Tom-Tom" verkehrt habe – was in der gerade ins Amt gekommenen Kohl-Regierung als Sicherheitsrisiko eingestuft wurde. Kießling war ohnehin verdächtig, da er nicht verheiratet war.
Als der Fall in die Öffentlichkeit gelangte, geriet die Regierung in Erklärungsnot. In den Medien wurde debattiert, ob Homosexualität wirklich eine Gefahr für die westdeutsche Armee sei. Auch um diese Diskussionen zu beenden, stellte Wörner den General schließlich Anfang 1984 wieder ein und entschuldigte sich bei ihm. Wenige Monate später wurde Kießling dann in allen Ehren mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand versetzt.
Bis heute ist unklar, ob die Affäre bewusst inszeniert wurde. So gab es Berichte, dass der DDR-Geheimdienst die Kampagne befeuert haben soll, um den westdeutschen Staat bloßzustellen. Kießling war Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte und damit höchster deutscher Vertreter im westlichen Verteidigungsbündnis.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) würdigte Kießling und bescheinigte ihm eine "beeindruckende militärische Karriere". "Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst blieb er der Bundeswehr als geschätzter Ratgeber und treuer Begleiter verbunden. Wir werden ihn als herausragenden Soldaten in Erinnerung behalten, der sich bleibende Verdienste um unser Vaterland erworben hat", erklärte Jung. (dk)
Die CDU moralinsauer, wie man sie heute noch auf Kommunalebene erleben darf, tat in Form des Herrn Wörners ein Übriges. Der Rest ist bekannt.
In Vergessenheit ist aber die zwielichtige Rolle von Alexander Ziegler geraten. Jener Schweizer bekennende Schwule, Autor des Films "Die Konsequenz" und Mitherausgeber von "Du und ich" nutzte den Kießlingskandal um sich im Fernsehen wirksam in Szene zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte man in Köln einen Stricher an Land gezogen, zu dem angeblich der General Kontakt gehabt haben sollte. Scheinheilig erklärte Ziegler vor der Fernsehkamera: er wisse gar nicht, warum das für den Herrn Kießling so ein Problem sei sich nicht als schwul zu bekennen. Es wäre doch letztendlich für ihn viel befreiender.
Diese Affäre stank zum Himmel und erinnerte im Drehbuch sehr stark an den Versuch der SS die Wehrmacht kalt zu stellen, als man seinerzeit den Oberbefehlshaber des Heeres Freiherr von Fritsch der Homosexualität bezichtigte und als Belastungszeugen einen vorbestraften Stricher präsentierte. Das Ganze brach in beiden Fällen wie ein Kartenhaus zusammen.
Nach 25 Jahren hat sich die Situation völlig verändert, so scheint es oberflächlich gesehen, aber die Vorbehalte finden sich immer noch und es besteht kein Anlass sich bequem im Sessel zurück zu lehnen.
Was das Ministerium für Staatssicherheit anbetrifft, homosexuelle Neigungen wurden in Kompromaten festgehalten, wo ebenfalls Alkoholexzesse und Puffbesuche notiert wurden. Das war vielleicht bei kleineren Fischen ganz nützlich um sie etwas kooperativer zu stimmen. Bei wichtigen Personen sind andere Vorgehensweisen wirksamer. Solche Ränkespiele findet man eher in Spionagefilmen.