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- 21. September 2009 3 Min.
Auswahlhilfe für die Bundestagswahl: queer.de zeigt diese Woche, wie die großen Parteien über die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben denken. Erste Folge: die Union.
Von Dennis Klein
CDU-Kanzler Konrad Adenauer nannte 1962 Schwule eine "schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke". Er warnte, dass eine Legalisierung von Homosexualität dazu führen würde, die "nähere Umgebung durch Zusammenleben in eheähnlichen Verhältnissen zu belästigen". Ein knappen halbes Jahrhundert später scheint die Union wie ausgewechselt: "Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen", heißt es im Grundsatzprogramm – das schließt ausdrücklich "gleichgeschlechtliche Partnerschaften" ein.
Also eine Wandlung von Saulus zum Paulus? Nicht ganz. So gut wie alle Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten in Sachen Homo-Rechte erzielt wurden, sind reflexartig von CDU und CSU bekämpft worden: Die Eingetragenen Partnerschaften hätten unionsregierte Länder am liebsten weggeklagt. Beim Gleichbehandlungsgesetz wollte man zwar Frauen und religiöse Menschen vor Diskriminierung schützen, nicht aber Schwule und Lesben. Bei der Erbschaftssteuerreform 2008 hätte man den Überlebenden einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft am liebsten kräftig in die Tasche gegriffen, während heterosexuelle Paare steuerfrei erben sollten – zum Glück wurde die Benachteiligung von der SPD verhindert.
Ideale der Vergangenheit
Es liegt also noch einiges im Argen bei der Union: Man trauert einem Idealbild der heilen, traditionellen Familie nach, in dem Schwule keinen Platz haben und das aber von Jahr zu Jahr unrealistischer wird. Bestes Beispiel für diese ausgrenzende Nostalgie-Politik ist das Ehegattensplitting, von dem sich die meisten Politiker aus anderen Parteien gedanklich bereits verabschiedet haben. Für viele Unionspolitiker hat die Ehe noch etwas Religiöses, das der Staat schützen muss, koste es, was es wolle. Das führt aber zu neuen Ungerechtigkeiten: Das Konstrukt des Ehegattensplittings spart (heterosexuellen) Ehepartnern mit großen Gehaltsunterschieden Steuern – also am meisten bei der Hausfrauen-Ehe, während arbeitende Frauen zur Kasse gebeten werden. Ob das Paar Kinder hat, ist dabei unerheblich: Belohnt wird nur die Unterschrift beim Standesamt. Bei allen nicht traditionellen Eltern – seien es schwule und lesbische Paare oder Alleinerziehende – langt das Finanzamt zu.
In der CDU gibt es aber auch hoffnungsvolle Signale: In der schwarz-grünen Koalition in Hamburg zeigt sich, wie flexibel die Union doch sein kann. Dort fordert sie nun sogar einen Diskriminierungsschutz von Schwulen und Lesben im Grundgesetz. Auch haben sich die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) als lautstarke Lobbygruppe hervorgetan. Sie versuchen seit Jahren in Einzelgesprächen mit Unionsgrößen für schwul-lesbische Themen zu sensibilisieren. Freunde machen sie sich dafür in der Community nicht: Auf CSDs, auf denen die Union meist nach wie vor als Feindbild dient, müssen sich die wenig schrillen Anzugsträger so einige Schimpftiraden anhören. Bleibt zu hoffen, dass diese Jungs und Mädels der LSU die Enkel Adenauers endlich überzeugen können, dass die "natürliche Lebensordnung" alle sexuellen Orieniterungen mit einschließt – und Schwule und Lesben nicht fehl geleitete Schmuddelkinder sind, denen man mit politischen Mitteln, etwa dem Steuerrecht, auf die Finger klopfen muss.
Fazit: Aus schwul-lesbischer Sicht gibt es bessere Wahlalternativen. Die schrillen Töne der Vergangenheit sind aber weitgehend Geschichte.
Wählbarkeit aus schwul-lesbischer Sicht: 4 von 10 Punkten
(9-10 Punkte entsprechen der Schulnote sehr gut, 8 entspricht der Note gut, 7 der Note befriedigend, 6 der Note ausreichend. Werte darunter sind nicht ausreichend)
Nächste Folge des Parteienchecks am Dienstag: SPD.










4 von 10 Punkten"
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