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- 22. September 2009 4 Min.
Auswahlhilfe für die Bundestagswahl: queer.de zeigt diese Woche, wie die großen Parteien über die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben denken. Zweite Folge: die SPD.
Von Dennis Klein
Die SPD ist seit inzwischen elf Jahren an der Macht – und in dieser Zeit ist einiges geschehen: Als Großprojekt wurden Eingetragene Partnerschaften unter Rot-Grün eingeführt, die erstmals das Recht von Schwulen und Lesben auf eine Beziehung absicherte. Als zweiter Erfolg gilt das Gleichbehandlungsgesetz, das unter Schwarz-Rot den Schutz des Merkmals "sexuelle Orientierung" klar stellte. Die Union hätte darauf am liebsten verzichtet und nur Merkmale wie Geschlecht oder Behinderung in den Katalog aufgenommen.
In diesen elf Jahren hat sich viel mehr für Schwule und Lesben getan als in den 16 Jahren der "bürgerlichen" Koalition zuvor. Die einzige nennenswerte Leistung der Kohl-Regierung in punkto Homo-Politik war die Abschaffung des Paragrafen 175 im Jahre 1994 - allerdings nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil nach der Wiedervereinigung das Rechtssystem Westdeutschlands mit dem der DDR angeglichen werden musste.
Ist die SPD die Rettung aus der dunklen Kohl-Zeit? Nicht ganz. Sie musste erst mit der Hand zum Thema Homo-Rechte geführt werden, was Lobbygruppen und bis 2005 vor allem der grüne Koalitionspartner übernahmen. Noch lange wehrten sich Sozialdemokraten gegen die volle Gleichstellung. Beim Adoptionsrecht meinte etwa Bundesjustizministerin Brigitte Zypries noch vor fünf Jahren, dass ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben mit ihr nicht machbar sei. Heute – bzw. seit der Wahlkampf Fahrt aufgenommen hat – wirbt sie mit einer großen Studie und Interviews in allen großen Zeitungen und Fernsehsendern für eine Gleichstellung beim Adoptionsrecht.
Erfolge in der Großen Koalition
Gerade der Großen Koalition konnte die SPD homopolitisch ihren Stempel aufdrücken. So erreichten die Sozialdemokraten gegen eine zeternde Union und eine aus der Opposition heraus lästernde FDP, dass "sexuelle Orientierung" im Gleichbehandlungsgesetz steht. Zwar ist dieses ein wenig verwässert worden und hat hauptsächlich symbolischen Charakter. Dennoch: Ohne die SPD wäre eine Diskriminierungshierarchie entstanden, die zwar verbietet, Frauen und Dunkelhäutige zu benachteiligen, nicht aber Schwule. Das hätte das Ziel der Gleichbehandlung nach hinten geworfen.
Auch in anderen Fragen konnte die SPD Kompromisse erringen – wie etwa bei der Reform der Erbschaftssteuer. Nach der alten Regelung wurden Schwule und Lesben nach dem Tod ihres Partners mit einer Rechnung vom Finanzamt bestraft, während Verheiratete dank der großen Freibeträge meist steuerfrei erben durften. Die Union wollte das beibehalten – die Sozialdemokraten setzten aber durch, dass Schwule und Lesben denselben Freibetrag (500.000 Euro) erhalten wie Heterosexuelle. Der CDU/CSU blieb noch ein kleiner Sieg für die von ihr favorisierte Diskriminierungshierarchie: Gleichgeschlechtliche Partner müssen jetzt über den Freibetrag hinaus bis zu 50 Prozent Steuern zahlen, Heterosexuelle aber nur 30 Prozent. Man kann das zwar einen faulen Kompromiss nennen – er war aber auf jeden Fall besser als der damalige Status Quo, denn er bewahrt schwule Witwer und lesbischen Witwen nach dem Tod ihres Partners vor dem finanziellen Abstieg oder möglicherweise dem Ruin.
Problem Schlafmützigkeit
Heute setzt sich die SPD – mit Ausnahme der Ehe-Öffnung – in praktisch allen Themen für Gleichbehandlung von Homosexuellen ein. In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass die Schlafmützigkeit der Sozialdemokraten immer wieder zum Problem wird: So wurden die Eingetragnen Partnerschaften – von denen die damalige SPD-Justizministerin nicht voll überzeugt war und daraus auch nie einen Hehl machte – erst drei Jahre nach dem rot-grünen Wahlsieg umgesetzt. Damit war die Mehrheit im Bundesrat futsch und das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz scheiterte an der Blockade der Union. Darunter leiden Homo-Paare noch heute: So kommen sie – ohne jegliche Rechtfertigung – nicht in den Genuss des Ehegattensplitting, das insbesondere kinderlose Hausfrauen-Ehe fördert. Auch beim rot-grünen Antidiskriminierungsgesetz schlief die SPD-Justizministerin – und konnte nach jahrelangen Diskussionen wegen der Neuwahlen nicht mehr verabschiedet werden.
Auf Landesebene gibt es große Unterschiede bei den Sozialdemokraten: So stemmte sich die SPD-Alleinregierung in Rheinland-Pfalz jahrelang gegen eine Anerkennung der Homo-Ehe für Landesbeamte. Statt dessen hat sich etwa die SPD in Berlin mit Projekten gegen die zunehmende Jugendgewalt einen positiven Beitrag geleistet.
Vorbild Wowereit
Ohnehin hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit viel für die Anerkennung von Schwulen und Lesben getan, indem er mit seiner Offenheit Gegnern den Wind aus den Segeln nahm. Er stellte Homosexualität dar, wie unverbesserliche Konservative sie nie sehen wollten: Selbstbewusst und "normal". Das steht im Kontrast zu seinem CDU-Amtskollegen Ole von Beust, dessen sexuelle Orientierung in Hamburg lange Jahre lang ein offenes Geheimnis war. Offen hat er aber erst darüber geredet, als er von seinem Koalitionspartner Ronald Schill damit erpresst wurde. Ein unverkrampfter Umgang mit Homosexualität sieht anders aus – und Wowereit hat das bewiesen.
Fazit: Die Sozialdemokraten haben in der Merkel-Regierung schwul-lesbische Rechte vertreten – davon möchten wir aber noch mehr sehen.
Wählbarkeit aus schwul-lesbischer Sicht: 8 von 10 Punkten
(9-10 Punkte entsprechen der Schulnote sehr gut, 8 entspricht der Note gut, 7 der Note befriedigend, 6 der Note ausreichend. Werte darunter sind nicht ausreichend)
Nächste Folge des Parteienchecks am Mittwoch: FDP.
Mehr zum Thema:
» Queer.de-Parteiencheck: CDU/CSU (21.09.09)










Die Schwusos haben übrigens gerade eine Pro- Steinmeier- Kampagne gestartet. ""Ich will ein Land, in dem jede und jeder ohne Angst sein Leben leben kann. Mit gleichen Chancen und gleichen Rechten. Egal, wie Du aussiehst, woher Du kommst und wen Du liebst."
Sagt er, der Gute. Habs mal unterzeichnet.
Klar, letztlich auch eine Worthülse. Aber etwas anderes erwarte ich mir vom Wahlkampf 2009 auch gar nicht mehr. Die Wahlkämpfe Schröder versus Kohl bzw. Stoiber waren eindeutig "würziger". Schon schade, wenn eine Partei gar nicht mehr dafür kämpft, den Kanzler zu stellen, sondern nur noch, um eine bestimmte Regierungskonstellation zu verhindern (schwarz-gelb)...
Der SPD und FW trotzdem viel Glück!