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- 22. Oktober 2009 3 Min.
Alle rechtlichen Benachteiligungen von gleichgeschlechtlichen Paaren stehen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf dem Prüfstand.
Von Dennis Klein
Auf seiner Facebook-Seite hat der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck schon kurz nach Mitternacht eine "Niederlage für konservative Ideologen" angekündigt. Am Donnerstagmorgen gab das Bundesverfassungsgericht schließlich seine Entscheidung bekannt: Lebenspartner, die im öffentlichen Dienst arbeiten, haben Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung. Ein anderslautendes Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2007 wurde aufgehoben. Damit hat das oberste Gericht in Deutschland erstmals Homo-Rechte nicht nur bestätigt, sondern ausgeweitet.
Die Richter des Ersten Senats beriefen sich hierbei auf Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes. Darin heißt es lapidar: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich". Geklagt hatte ein verpartnerter Angestellter des öffentlichen Dienstes aus Hamburg, der wie seine heterosexuellen Kollegen behandelt werden wollte.
Mit der Begründung wackeln sämtliche Benachteiligungen von Eingetragenen Lebenspartnern. Denn das Gericht stellte fest: "Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird". Eine "Ungleichbehandlung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt". Gleichgeschlechtliche Paare erfahren aber solche Benachteiligungen nach geltendem Recht auch in anderen Bereichen, wie etwa bei der Einkommens- oder Erbschaftssteuer.
Ehe muss nicht vor Lebenspartnerschaft geschützt werden
Die Lieblingsausrede von Homo-Gegnern – der besondere Schutz von Ehe und Familie im Grundgesetz nach Artikel 6 – ist für die Richter kein Argument mehr, denn "tragfähige sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung" lägen nicht vor: "Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht", erklärten die Richter. Damit stellt sich das Verfassungsgericht gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die im Wahlkampf die Benachteiligung von Homo-Paaren mit dem "besonderen Schutz der Ehe" begründete (queer.de berichtete).
"Ziellinie in Sicht"
In einer ersten Reaktion begrüßte der grüne Fraktionsgeschäftsführer Beck die Entscheidung enthusiastisch als "großen Sieg in Karlsruhe" und "endgültigen Durchbruch für die rechtliche Gleichstellung schwuler und lesbischer Lebenspartnerschaften mit der Ehe." Beck zeigte auch Genugtuung darüber, dass das rot-grüne Lebenspartnerschaftsgesetz zur Gleichstellung führen müsse: "Die grüne Strategie ist aufgegangen. Angesichts des Widerstands aller anderen Parteien waren 2001 bei Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft gleiche Rechte noch nicht in allen Bereichen durchsetzbar", erklärte Beck. Es war aber gut, dass von Anfang an sämtliche Pflichten enthalten gewesen seien, "denn nur so werden Lesben und Schwule letztlich politisch und vor den höchsten Gerichten auch gleiche Rechte erkämpfen." Nach einem Jahrzehnt Kampf sei nun "die Ziellinie in Sicht".
Der Entscheidung ging eine Unzahl von Urteilen niederer Instanzen voraus, die sich mal für, mal gegen Homo-Rechte entschieden haben. Vorausgegangen war aber bereits eine positive Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im vergangenen Jahr. Damals entschied Luxemburg, dass die Benachteiligung bei der Hinterbliebenenrente gegen die Europäische Gleichstellungsrichtlinie verstoße (queer.de berichtete). Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstößt sie nun auch gegen das Grundgesetz.
Der Lesben- und Schwulenverband hat nun die neue schwarz-gelbe Bundesregierung sowie die Landesregierungen aufgefordert, "gleichheitswidrige Benachteiligungen von Lebenspartnern" abzubauen. "Das bisher von schwarz-gelb zu Lebenspartnerschaften Vereinbarte ist zu wenig", ist sich Volker Beck sicher. Bislang hat sich Schwarz-Gelb lediglich zu einer Gleichstellung von Bundesbeamten durchgerungen (queer.de berichtete). Beck fordert mehr: "Nur vollständige Gleichstellung ist verfassungskonform, also auch im Steuerrecht".
(Aktenzeichen: 1 BvR 1164/07)
Links zum Thema:
» Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht















Danke an alle Politiker, die sich dafür eingesetzt haben, vor allem Dank an die Grünen und an Volker Beck!