Seit dem 1. Dezember 2009 ist Diskriminierung aufgrund der "sexuellen Ausrichtung" verboten.
Von Norbert Blech
Nachdem der Bundesrat in der letzten Woche eine Initiative zur Aufnahme von Schwulen und Lesben in den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes abgelehnt hat (queer.de berichtete), kommt ein gewisser Schutz jetzt durch die Hintertür: als Teil des Lissabon-Vertrags ist die EU-Grundrechtecharta am 1. Dezember in Kraft getreten.
Vor allem im Bereich der Anti-Diskriminierung geht Europa mit dem neuen Artikel 21 voran: "Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten."
Bindung nur bei EU-Recht
Die Grundrechtecharta ist allerdings nur bei der Durchsetzung von EU-Recht bindend, in anderen Bereichen bleiben die jeweiligen Verfassungen bestehen. Zur Durchsetzung einer Homo-Ehe etwa kann die Charta nicht verwendet werden, der Bereich Ehe und Familie hat einen eigenen Artikel, der auf die Nationalstaaten verweist: "Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln."
Weitere Artikel erinnern nicht zufällig an das deutsche Grundgesetz (nach Artikel 1 ist die Würde des Menschen unantastbar) und behandeln etwa das Recht auf Unversehrtheit, auf die Freiheit der Meinungsäußerung oder auf Versammlungsfreiheit. Interesant ist Artikel 19, der eine Abschiebung oder Ausweisung in ein Land verhindert, in dem der betroffenen Person "das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung" droht.
Keine Gültigkeit in 3 Staaten
In drei EU-Staaten ist die Grundrechtecharte jedoch nicht in Kraft getreten. Großbritannien erwirkte ein Opt-out, weil die Labour-Regierung glaubte, dass mit ihr Streiks auf der Insel erleichtert werden könnten. Auch die Präsidenten von Polen und Tschechien befürchteten einen Verlust der Souveränität ihrer Länder. Sowohl Lech Kaczynski als auch Václav Klaus sprachen sich insbesondere gegen den Diskriminierungsschutz für Schwule und Lesben aus, weil damit Nationalstaaten Homo-Rechte "aufgezwungen" werden könnten. Beide Politiker lehnen Homo-Rechte strikt ab.
Die Charta war bereits 2000 beschlossen worden und wurde 2004 in die europäische Verfassung integriert, um ihr größeres Gewicht zu geben. Die Verfassung scheiterte daraufhin allerdings in Volksabstimmungen in den Niederlanden sowie Frankreich. 2007 einigte sich die EU dann auf den Vertrag von Lissabon, der einen Teil der Reformen der Verfassung ersetzen sollte. Dieser trat nun am 1. Dezember nacht etlichen Hürden in Kraft.