Am Montag haben Studenten der Uni Köln gegen einen Vortrag der Philosophie-Professorin Edith Düsing über Friedrich Schiller mit einem Kiss-in im Hörsaal demonstriert. Das Autonome Lesben- und Schwulenreferat an der Uni Köln (LUSK) hatte zuvor ein Auftrittsverbot gefordert, weil Düsing Mitunterzeichnerin der Erklärung "Für Freiheit und Selbstbestimmung - gegen totalitäre Bestrebungen der Lesben- und Schwulenverbände" ist. Darin sprachen sich Wissenschaftler, aber auch Bischöfe, Politiker und Richter gegen ein Verbot des Auftritts von zwei "Homo-Heilern" bei einem Psychologen-Kongress in Marburg im Mai aus, der Kongress fand schließlich unter großem Protest statt (queer.de berichtete).
Timm-Nachrichtenchef Dirk Ludigs sieht in dem Verhalten der Protestler ein falsches Verständnis von demokratischen Freiheitsrechten. (nb)
Ob Wissenschaftler wie Edith Düsing ein gestörtes Verhältnis zu Homosexuellen haben, weiß ich nicht. Dass ihre Kritiker ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit haben, ist aber gewiss.
Die Freiheit der Wissenschaft und die Meinungsfreiheit gehören zu den höchsten Gütern unserer Grundordnung. Mutige Menschen haben sie zum Teil um den Preis ihres Lebens in den vergangenen Jahrhunderten gegen Kirchen und totalitäre Staatsformen errungen. Wer diese Freiheiten einschränken möchte braucht sehr gute Gründe. Die queeren Protestler von Marburg und Köln haben sie bis heute nicht vorgebracht. Wohl aber haben sie ihr gestörtes Verhältnis zur Freiheit selbst unter Beweis gestellt.
Natürlich müssen Menschen in einer freien Gesellschaft die Frage stellen dürfen, ob Homosexualität eine Krankheit sei. Natürlich müssen sie dazu forschen dürfen. Natürlich stimmt es, dass Homosexuelle mehr als andere an psychischen Krankheiten leiden. Natürlich muss die Frage erlaubt sein, ob das alles nur an der bösen Gesellschaft liegt. Nicht dass ich die Meinung evangelikaler Christen teile, aber: Wer sie verbieten will, macht den ersten Schritt in Richtung Gesinnungsdiktatur. In Marburg und Köln offenbarte sich also vor allem das alte Problem der Linken mit der Freiheit. An beiden Orten war ein queeres Jakobinertum am Werk, das, so schwant mir, auch die sprichwörtlichen Guillotinen auszupacken bereit wäre, geriete nur ein Quäntchen zu viel Macht in seine Hände.
Kampagne gegen die Professorin
Besonders augenscheinlich wurde das in der Kampagne gegen die Professorin Dr. Edith Düsing. Da fordern also Homosexuellen-Aktivisten ein Rede- und Berufsverbot für jemanden, dessen Gedankenverbrechen darin besteht, sich für die Rede- und Wissenschaftsfreiheit einzusetzen. Wie tief ist diese Bewegung nur gesunken! Auch wenn den Protestierenden, wie mir, die Richtung dieser Meinung und Forschung nicht passt: Die Grundrechte schützen eben nicht nur die richtige Meinung oder die kluge Forschung. Wer das nicht aushält, sollte sein Verhältnis zur Demokratie überprüfen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich gibt es ebenso ein Recht, gegen Forschungsinhalte, religiöse Dogmen oder fragwürdige Therapien zu protestieren und zu argumentieren. Darum geht es nicht. Es geht um den Ruf nach Verboten.
Politisch dumm
Die Forderungen von Gruppen wie dem Kölner Lesben- und Schwulenreferat sind aber nicht nur demokratisch fragwürdig. Sie sind darüber hinaus auch politisch dumm. Wer Denkverbote fordert, muss doch wissen, wie sehr er damit seine Gegner stärkt. Die Marburger Erklärung für Freiheit und Selbstbestimmung, vor allem aber die Stellungnahme Edith Düsings von 7. Dezember, und das tut einem schwulen Veteranen durchaus weh, sind argumentativ smarter als ihre Kritiker. Es wird Zeit, sich inhaltlich auseinanderzusetzen und das dumpfe Krakeelen einzustellen.
Wer Mohammed-Karikaturen verteidigt, muss evangelikale Christen aushalten. Das Totschlagargument "Homophobie ist keine Meinung", bei gleichzeitiger alleiniger Deutungshoheit des Begriffes "homophob", ist rosa lackierter Totalitarismus.
Dirk Ludigs ist zurzeit Nachrichtenleiter des Senders TIMM und war zuvor Chefredakteur verschiedener bundesweiter Magazine ("Front", "Du & Ich"). Der Absolvent der Henri-Nannen-Schule arbeitete als Redakteur bei der Fernsehsendung "liebe sünde" (ProSieben) und lebte von 1996 bis 2001 als freier TV-Produzent in Los Angeles. Er ist darüber hinaus auch Bestseller-Autor von Ratgebern, darunter "Ran an den Mann" (dtv).
Angriffe auf die Menschenwürde und auf das gleichberechtigte Existenzrecht homosexueller Menschen sind keine "Meinung"!
Nazi-Praktiken (siehe "Umpolung" von Homosexuellen) sind keine Meinung!
Vielmehr handelt es sich um inakzeptable Verbrechen gegen die elementaren Grundwerte einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft und vor allem gegen die Betroffenen!
Wenn wir diesen widerlichen Auslöschungsideologien, die hier perverserweise unter dem Deckmantel der demokratischen "Meinungsfreiheit" salonfähig gemacht werden sollen, nicht mit ganzer Entschlossenheit entgegentreten, dann sind wir schon fast wieder da, wo wir schon einmal waren, als Tausende von Schwulen in Konzentrationslagern ermordet wurden.
Der oben stehende Beitrag ist eine absolut verantwortungslose Verharmlosung des faschistischen Gedankengutes, wie es gegenüber keiner anderen Opfergruppe des Nazi-Terrors jemals geduldet werden würde. Und er zeugt somit von einer skandalösen Geschichtsvergessenheit und von einem für uns als Schwule und Lesben FATALES Fehlverständnis von Freiheit und Demokratie. Wenn angeblich schwule Medien einen solchen Unsinn verbreiten, dann brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, dass homosexuelle Menschen in dieser Gesellschaft weiterhin wie der letzte Dreck behandelt werden dürfen.
Noch einmal: Homophobie und Diskriminierung von Homosexuellen sind keine Meinung, sondern ein Verbrechen und gehören auch endlich als solche behandelt und geahndet. Und Auslöschungsdiskurse wie die, um die es hier geht, erst recht!