Das vergangene Jahrzehnt brachte eine gewaltige Ausweitung der Rechte für Schwulen und Lesben - aber auch den einen oder anderen Rückschlag.
Von Dennis Klein
Mit Terroranschlägen, Kriegen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten geht das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wohl nicht als Traumdekade in die Geschichte ein. Für die Rechte von Schwulen und Lesben waren die letzten zehn Jahre aber eine gute Zeit: In Europa, Australien Nord- und Südamerika sowie Teilen von Asien konnten die Aktivisten ihrem Ziel der Gleichbehandlung ein gutes Stück näher kommen.
Viele Länder haben in den letzten Jahren beschlossen, die Beziehungen von Schwulen und Lesben rechtlich anzuerkennen: Gegenwärtig bieten 20 Länder Eingetragene Partnerschaften an, in sieben Ländern dürfen gleichgeschlechtliche Paare wie Heterosexuelle heiraten. Am 1. Januar 2000 waren nur in sieben Ländern Verpartnerungen möglich - und die Ehe war für Schwule und Lesben auf der ganzen Welt tabu.
Auch im Diskriminierungsschutz hat sich viel getan: Vor zehn Jahren gab es nur vereinzelt Gleichbehandlungsgesetze in Europa und Nordamerika - heute sind sie weitgehend flächendeckend, auch wenn sie oft noch unschöne Ausnahmen für Kirchen enthalten.
Afrika weiter im Mittelalter
Dies sind aber Luxusprobleme im Vergleich zu dem, was Schwule und Lesben in Teilen Afrikas und Asiens erdulden müssen: Über 70 Länder verbieten weiterhin männliche Homosexualität (30 davon auch weibliche). In sieben Ländern erwartet Schwule sogar der Tod. Zudem gibt es gegenwärtig in Uganda Diskussionen, Männer mit Zuneigung zum gleichen Geschlecht zu exekutieren.
Zu den Hauptgründen für die miserable Lage in vielen Teilen Afrikas und Asiens gehören zum einen die schlechte Wirtschaftslage und zum anderen die Religion. Auch in Deutschland stand die Gleichbehandlung von Homosexuellen erst nach dem Wirtschaftswunder auf der Tagesordnung. Insbesondere in autokratischen Ländern des Nahen Ostens ist die Aussicht auf gleiche Rechte allerdings vor allem aus religiösen Gründen nicht in Sicht: In sieben mehrheitlich islamischen Ländern steht mit Verweis auf den Koran auf Homosexualität der Tod. Der Christen-Duden muss aber auch für einiges herhalten: So wird bei den Beratungen über die Einführung der Todesstrafe in Uganda vor allem das angebliche Homo-Verbot in der Bibel zitiert.
Auch in Deutschland kommt die Ablehnung von Homorechten aus der religiösen Ecke: Bei den Beratungen zur Einführung der Eingetragenen Partnerschaften im Jahr 2001 sprachen sich Vertreter beider Amtskirchen statt für christliche Nächstenliebe für Ausgrenzung aus. Inzwischen gibt sich gerade die evangelische Kirche weit versöhnlicher: So steht etwa die neue EKD-Chefin Bischöfin Margot Käßmann Segnungen von homosexuellen Paaren nicht mehr ablehnend gegenüber; auch wenn sie Schwulen und Lesben das Recht auf eine Eheschließung weiterhin abspricht.
"Generation Next"
Hoffnung besteht vor allem dank einer liberaleren jungen Generation: Die "Generation Next" hat laut Umfragen aus Europa und den USA weit weniger Probleme mit Schwulen und Lesben haben. So befürwortet eine Mehrheit die Öffnung der Ehe, während dies von älteren Semestern entsetzt abgelehnt wird. Gleichwohl gab es mehrere erschreckende Schülerstudien in Deutschland, die belegten, dass viele pubertierende Jugendliche beim Anblick von küssenden Männern Ekel empfinden. In Berlin sind es laut Simon-Studie (2007) rund die Hälfte der deutschstämmigen männlichen Schüler sowie mehr als drei Viertel bei russischen und türkischen Migranten.
Die Homosexuellenfeindlichkeit in den Schulen muss daher hierzulande zu einem der Hauptprojekte für Aktivisten sein. Hier ist es besonders wichtig, auf Migranten zuzugehen, in deren Heimatkultur Schwule oft noch als Untermenschen betrachtet werden, wie die peinlichen Verbote des CSDs in Moskau Jahr für Jahr gezeigt haben. Umfragen haben gezeigt, dass gerade diejenigen keine Probleme mit Schwulen und Lesben haben, die diese persönlich kennen. Daher muss die Präsenz an den Schulen erhöht werden.
Bereits jetzt haben die Medien einiges dazu beigetragen, dass ein positiveres Bild über Schwule in der Öffentlichkeit existiert. Während in der Anfangszeit des Privatfernsehens Homosexuelle vor allem als schrille Außenseiter oder bemitleidenswerte Aids-Kranke dargestellt wurden, sind sie heute in der Gesellschaft integriert. Keine Seifenoper kommt ohne ihren Schwulen aus, der natürlich genauso unter Liebeskummer und Intrigen leidet wie der heterosexuelle Laienschauspieler neben ihm. In den 90ern regten sich in der Öffentlichkeit noch Proteste an schwulen Bettszenen in der "Lindenstraße" - heute bringt das keinen Moralisten mehr hinter dem Ofen hervor. Und auch im Kino hat sich einiges geändert: Mainstream-Filme mit schwulem Inhalt wären in den 1990ern noch praktisch undenkbar gewesen - heute sahnen starbesetzte Produktionen wie "Milk" oder "Brokeback Mountain" Oscars ab.
Ob sich die positive Entwicklung in den nächsten zehn Jahren fortsetzt, ist natürlich reine Spekulation. Seit dem Stonewall-Aufstand vor 40 Jahren haben Schwule und Lesben allerdings mehr Gleichstellung erreicht, als sie es sich damals erträumen konnten. Über diesen Weg können wir uns freuen - auch wenn das nichts am Ärger über die Hinrichtungen im Iran, die Arroganz von Papst Benedikt XVI und die Reden von Norbert Geis ändert.