Früher dachte Corrie: "Ich kann nicht laufen, also habe ich auch keinen Sex." Der 44-jährige Kölner spricht als IWWIT-Rollenmodel offen über Liebe und Sex.
Dass ich mehr auf Jungs stehe, das habe ich schon immer geahnt. Aber ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, weil Sexualität eigentlich keine Rolle für mich spielte. Für mich war meine Behinderung immer ganz normal. Ich dachte deshalb auch immer, dass Sexualität aus diesem Grund eben nicht möglich ist. So nach dem Motto: Ich kann nicht laufen, also habe ich auch keinen Sex! Das war für mich eben so. Mit 19 Jahren hatte ich dann aber doch meine erste sexuelle Erfahrung. Er war nicht behindert und sieben Jahre älter. Er hat mir einen runtergeholt mit der Begründung, dass ich das ja selber nicht könne. Es blieb auch nicht nur bei diesem einen Mal – das hat sich über zwei Jahre hingezogen. Danach ist aber sexuell erst einmal nicht mehr viel passiert.
Vor etwa zehn Jahren ist dann etwas sehr Entscheidendes passiert. Als ich unterwegs war, hat mich ein älterer Herr angesprochen. Wir sind Kaffee trinken gegangen, und es stellte sich nach und nach heraus, dass er Pastor ist. Ich dachte eigentlich, dass nun das Gelaber wieder losgeht: "Deine Behinderung ist von Gott gewollt!" und so. Aber ganz so war es dann doch nicht. In unserem Gespräch kamen wir nämlich auch darauf, dass ich schwul bin – und dann sind wir im Bett gelandet. Die Geschichte war nicht so ganz einfach. Es lief so über drei Jahre, und ich habe mich natürlich in ihn verliebt. Er meinte allerdings zu mir, dass er mich nicht lieben würde, weil er ja "Den da oben" lieb hätte. Überhaupt begründete er die ganze Sache damit, dass er schon einige Spastiker kennengelernt hätte und die ja eben keine Sexualpartner fänden. Natürlich habe ich ihm das zu diesem Zeitpunkt auch geglaubt, denn es entsprach meinen Erfahrungen der letzten 20 Jahre.
Über HIV und Aids wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht besonders viel. Aber in der Schule hatten sie uns schon erzählt, bei welchen Praktiken man aufpassen muss. Analsex gab es mit dem Pastor nicht und geblasen wurde auch nicht. Und dass es nicht gefährlich ist, sich einen runterzuholen, das war mir klar. Ich habe mir deshalb darum keine allzu großen Gedanken gemacht, denn wenn man nichts Gefährliches macht, kann man schließlich auch nicht krank werden. Der Pastor hat sich aus irgendwelchen Gründen nach und nach zurückgezogen. Ich habe damals auch meinen ersten Computer bekommen und schnell die schwulen Seiten entdeckt. Und damit hat sich wirklich alles geändert! Es hat nicht lange gedauert, und ich merkte, dass auch ich als Schwerbehinderter dort Sex finden kann. Mir wurde zwar immer eingeredet, dass ich sowieso keinen abkriegen werde. Aber ich musste nicht einmal offensiv sein und konnte einfach abwarten, bis mich Leute angeschrieben haben. Seit dieser Zeit bin ich mit meinem Sexualleben wirklich sehr zufrieden.
Meinen ersten Freund habe ich dann auch im Internet kennengelernt. Diese Beziehung hat etwa ein halbes Jahr gedauert. Das war wirklich sehr intensiv. Er hat sogar gesagt, dass er mich liebt. Das hat mir sehr viel bedeutet, so etwas in der Art hatte ich ja vorher auch noch nicht erlebt. Gesehen haben wir uns ausschließlich an den Wochenenden, weil er nicht aus Köln kam. Er war außerdem nicht geoutet, hat noch bei seiner Mama gewohnt – und das, obwohl er älter war als ich! Warum es dann plötzlich auseinander gegangen ist, das habe ich eigentlich nicht so richtig verstanden. Ich denke, er wollte so einen Ja-Sager. Darum hat er sich wohl auch für einen Behinderten interessiert. Ich sollte keine Widerworte geben – aber da hatte er mich falsch eingeschätzt. Jetzt lebe ich in meiner zweiten Beziehung. Wir haben uns ebenfalls über das Internet kennengelernt und sind nun schon seit viereinhalb Jahren ein Paar.
Ob Corrie die monogame oder die offene Beziehung bevorzugt, wie es mit Behinderung im Darkroom funktioniert und wie andere Männer mit Handicaps mit Safer Sex umgehen, verrät er im kompletten Interview auf www.iwwit.de.
man sollte ihn nachträglich noch anzeigen