Jeder kann mitmachen: Auf der Internetseite des Deutschen Bundestages kann eine Petition unterzeichnet werden, die sich für den Diskriminierungsschutz für Lesben und Schwule in Artikel 3 des Grundgesetzes ausspricht.
Die Petition wurde vom Privatmann Hans-Werner Sperber vergangenen Monat beantragt und kann noch bis Anfang März unterzeichnet werden. Bis dato haben bereits rund 200 Menschen die Eingabe unterzeichnet. Wenn bei der Petition 50.000 Unterschriften zustande kommen, wird sie im Petitionsausschuss des Bundestages öffentlich beraten.
Eine Ergänzung des Artikels 3 um das Merkmal "sexuelle Identität" wird bereits seit Jahren von Homo-Aktivisten gefordert. So betreibt der Lesben- und Schwulenverband die "Aktion Grundgesetz", bei der sich auch viele Promis wie Heiner Geißler oder Maybrit Illner (queer.de berichtete).
"Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen sind in unserer Gesellschaft auch heute noch Anfeindungen, gewaltsamen Übergriffen und Benachteiligungen ausgesetzt", begründete Sperber seine Petition. Zwar habe sich die Lage etwa durch das Gleichbehandlungsgesetz verbessert. Allerdings schaffe lediglich ein Diskriminierungsverbot in der Verfassung "eine klare Maßgabe für den einfachen Gesetzgeber".
Zustimmung wächst
SPD, Grüne und Linkspartei unterstützen die Grundgesetzänderung, während die Union und die FDP das eher ablehnen. Allerdings gibt es auch positive Ausnahmen: So stimmte im vergangenen Jahr Schwarz-Grün aus Hamburg im Bundesrat für die Erweiterung des Artikels, ebenso wie die Jamaika-Koalition im Saarland (queer.de berichtete). Für eine Verabschiedung wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig.
Artikel 3 wurde 1948 als Schlussfolgerung aus der Verfolgungsgeschichte der Nazizeit geschaffen. Es verbietet jegliche Benachteiligung wegen des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, des Glaubens und der politischen oder religiösen Überzeugung, seit 1994 auch wegen einer Behinderung. Die sexuelle Identität der Menschen genießt diesen Schutz bis heute nicht, obwohl sich schon 1993 eine gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat mit 27 zu 22 Stimmen dafür ausgesprochen hatte, in den Gleichbehandlungsartikel das Merkmal sexuelle Identität aufzunehmen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde allerdings durch den Widerstand von CDU/CSU und die Enthaltung der FDP verhindert. So sagte der FDP-Abgeordnete Walter Hitschler, man müsse dann ja auch "Linkshänder und Brillenträger" in die Verfassung aufnehmen.
Gegner der Ergänzung argumentieren nach wie vor, dass das Grundgesetz nicht überfrachtet werden solle und Schwule und Lesben außerdem durch Artikel 1 ("Die Würde des Menschen ist unantastbar") ausreichend geschützt würden. Befürworter erwidern, dass Artikel 1 Schwule nach dem 2. Weltkrieg nicht vor Verfolgung und Gefängnis geschützt habe. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht 1957 entschieden, dass das damalige Verbot von Homo-Sex verfassungsgemäß sei, da Schwule ein "hemmungsloses Sexualbedürfnis" hätten, das die "sittlichen Anschauungen des Volkes" schädigen könne. In den 50er und 60er Jahren sind daher in West-Deutschland rund 55.000 Männer aufgrund des Paragrafen 175 rechtskräftig verurteilt worden - trotz des Grundgesetzes. (dk)