Pia-Kathryn Nissen gilt als Deutschlands S/M-Päpstin. Queer.de sprach mit der Inhaberin von McHurt über die neuesten Trends der einschlägigen Szene
Von Dennis Klein
Wie kamst du dazu, ein S/M-Label zu gründen?
Ich bin seit 25 Jahren selber in der S/M-Szene unterwegs und hab mich von Anfang an geärgert über extrem teure Sachen oder solche, die einfach Schrott waren. Daher habe ich Kontakt aufgenommen zu Herstellern, die das preisgünstig anbieten können – und wurde fündig.
Wer kommt in deinen Laden?
Das ist eine sehr bunte Mischung. Ich komme aus der Lesben-Szene, aber habe mir gleich gedacht, dass es nicht sinnvoll ist, nur diese Gruppe anzusprechen. Ich wollte das Ganze größer aufziehen. Jetzt kommen tatsächlich Jüngere und Ältere aus allen Gesellschaftsschichten zu mir.
Was empfiehlst du einem völligen S/M-Neuling?
Ich empfehle ihm erst mal kein Produkt. Es geht ja nicht darum, viel zu kaufen, wenn man nicht weiß, wo der Weg hingeht. Ich würde zunächst empfehlen, andere Leute kennen zu lernen. Hier in Berlin gibt es ja eine recht aktive Szene mit Clubs. Wenn man dann soweit ist, etwas auszuprobieren, kann man über die Art der Toys nachdenken. Erst mal müssen Neulinge aber herausfinden: "Was ist mein Faible?" Ein Beispiel: Manch einer hat die Fantasie im Kopf, dass er gerne geschlagen wird. Wenn er es aber das erste Mal ausprobiert, sagt er: "Huch, das tut ja weh". Wenn ich ihm dann eine sehr schöne Peitsche verkauft hätte, hätte er damit eben nichts anfangen können.
Gibt es Fragen, die immer wieder kommen?
Ja, häufig dreht es sich dabei um die Partnersuche. In der Szene gibt es viele Singles, die noch nicht genau wissen, wo sie den Partner oder die Partnerin finden können. Bei Spielzeugen gibt es oft Fragen zu Brustklammern. Insbesondere wollen die Leute wissen, wie weit man gehen kann. Auch zu den Peitschen wird oft gefragt, welche besonders weh tun oder welche Spuren hinterlassen. Viele Leute haben auch herausgefunden, dass es die unterschiedlichsten Arten von Schmerz gibt. Gerade beim Schlagen gibt es etwa einen spitzen Schmerz, der durch einen Rohrstock verursacht wird, oder einen dumpfen Schmerz durch schwere, große Peitschen. Die Frage ist immer: Mit welchem Instrument kann ich erreichen, was mir gut tut.
Was ist am populärsten?
Peitschen sind immer gefragt. Auch Knebel sind hoch im Kurs, wie Mundspreizer oder Ballknebel. Hier haben wir gerade neue Silikonbälle, die geschmacklos und ungiftig sind, die sind seit kurzem ein großer Renner. Die Leute fragen auch oft nach unserem großen Vibrator, der mit 220-Volt-Netzstrom läuft. Der ist für die Leute aus der S/M-Szene besonders interessant, weil das – wenn man ihn länger einsetzt – in Richtung Quälen geht.
Gibt es unterschiedliche Vorlieben bei Schwulen, Lesben und Heten?
Manchmal weiß ich natürlich nicht, ob jemand schwul oder lesbisch ist. Aber viele kommen auch als Pärchen, dann ist es klar. Ich habe das Gefühl, dass in der Schwulenszene das Schlagen nicht so populär ist. Hier ist das Interesse an Analspielzeugen und Knebeln größer, weniger aber an Peitschen. Das ist bei Lesben anders. Sie machen viel mit Schlaginstrumenten. Fesseln ist dagegen weniger gefragt. Bei den Hetero-Leuten gibt es keinen Trend. Das ist eine ganz bunte Mischung.
Siehst du den Leuten an, für was sie sich interessieren könnten?
Nein, manchem Besucher traut man von der Optik her überhaupt nicht zu, Interesse an S/M zu haben. Die wissen dann aber ganz haargenau, wie das funktioniert und was sie haben wollen. Da habe ich mich schon sehr oft getäuscht.
Deine Preise sind bei vielen Produkten niedriger als bei Konkurrenten. Warum?
Dafür gibt es mehrere Faktoren: Ich betreibe einen hohen Aufwand, Hersteller zu suchen, die die Spielzeuge exklusiv für mich produzieren, zum Beispiel mit eigens nach meinen Spezifikationen gefertigtem Leder. Einen großen Teil der Produktion machen wir im Ausland, etwa in Südamerika oder Asien, um die Produktionskosten zu senken. Ich habe aber für mich entschieden, nie etwas mit China zu machen. Dort ist die Qualität oft mangelhaft und es gibt ein eigenartiges Gebaren im Geschäftsleben. Drittens haben wir keine Zwischenhändler. Ich gehe eben nicht zum Großhändler und frage, was er im Angebot hat, sondern beziehe die Toys zum größten Teil direkt von meinen Herstellern. Damit habe ich auch meine eigenen Produkte, die man nirgendwo anders finden kann.
Wie findest du die Hersteller?
Ich bin auf Messen, ich knüpfe Kontakte, ich gehe auf Leute zu. Es war ein langer Prozess, bis ich die Richtigen gefunden habe. Beispielsweise habe ich einen Hersteller für den Reitsport angesprochen, ob er sich vorstellen kann, auch etwas für den Einsatz an Menschen zu produzieren. Er wusste sofort, was ich meine, war aber zunächst sehr erstaunt über die Frage. Heute gehört er zu meinen Hauptproduzenten. Das ist mein Kapital: dass ich bereit bin, durch die Welt zu reisen und Leute zu suchen.
Gibt es auch ablehnende Reaktionen von Produzenten?
Ja, viele winken gleich ab und sagen, damit wollen sie nichts zu tun haben. Das ist aber nicht die Mehrheit. Einige lehnen auch ab, weil ich ihnen gleich sage, dass ich keine 100.000 Stück eines Produkts brauche. Manche Betriebe sind eben nur auf Großmengenfertigung ausgelegt. Manchmal hatte ich allerdings so meine Zweifel, ob das der wirkliche Grund war.
Spürst du etwas von der Wirtschaftskrise?
Spürbar ist sie schon. Aber ich glaube, wir profitieren eher davon, wenn das Geld knapp wird, weil wir recht gute Qualität zu niedrigen Preisen anbieten. Billigprodukte, die teuer verkauft werden, funktionieren dagegen nicht mehr so gut. Aber die haben wir ja nicht.
McHurt, Dudenstr. 22 (Ecke Methfesselstr.), 10965 Berlin