Der Deutsche Fußballbund ermittelt, ob sich ein Verantwortlicher einem jungen Schiedsrichter sexuell genähert hat. Steht der Kampf gegen Homophobie im Fußball vor einem Scherbenhaufen?
Von Norbert Blech
Große Aufregung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB): Der Verband ermittelt intern wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung im Schiedsrichterbereich. Entsprechende Medienberichte hat der DFB am Mittwoch offiziell bestätigt. "Es haben Vernehmungen stattgefunden und aktuell finden weitere Vernehmungen statt", sagte DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger der "Süddeutschen Zeitung".
Dem Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amerell, derzeit auf eigene Bitte "aus gesundheitlichen Gründen" von seinen Tätigkeiten im Schiedsrichter-Ausschuss entbunden, wird vorgeworfen, einen jungen Schiedsrichter sexuell belästigt und womöglich daraufhin dessen Karriere befördert zu haben. Die "Bild"-Zeitung outete den betroffenen Schiedsrichter als Michael Kempter, der zu den Berichten keine Angaben machen wollte. Der 27-jährige Bankkaufmann war im Dezember nach einer fünfjährigen Bundesliga-Karriere zum jüngsten Fifa-Schiri aus Deutschland ernannt worden.
"Wir sind bei der Sachverhaltsaufklärung. Das ist schwierig, deshalb wollen wir nicht zu früh Leute belasten oder entlasten", sagte Zwanziger der SZ. Derzeit prüft ein Justiziar die Aussagen beider Seiten.
"Vorwürfe sind haltlos"
Der 62-jährige Beschuldigte bestreitet die Anschuldigungen vehement. "Da lache ich mich kaputt. "Was die Vorwürfe 'belästigt oder genähert haben soll' anbelangt, so kann ich nur sagen, sie sind völlig haltlos und aus der Luft gegriffen und werden von mir zurückgewiesen", sagte Amerell. Sein Anwalt sagte gegenüber "Bild": "Ich finde es schon dreist, dass durch so eine Räuberpistole das Ansehen eines Menschen, der soviel fürs Schiedsrichterwesen und das Ehrenamt getan hat, in den Schmutz gezogen wird."
Nach Auskunft des Anwalts wisse sein Mandant bisher weder, was genau ihm vorgeworfen werde, noch, wer die Vorwürfe erhoben haben soll. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter aus Augsburg arbeitete beim DFB im Schiedsrichter-Ausschuss und war unter anderem für die Aufteilung der Spiele an Schiedsrichter und die Talentförderung zuständig. Amerell ist verheiratet und hat aus der Ehe zwei erwachsene Kinder.
Bei der Sondersitzung des DFB-Präsidiums am letzten Donnerstag, die wegen der Diskussion um eine Vertragsverlängerung für Bundestrainer Joachim Löw nationale Berichterstattung erlangte, soll der Vorwurf bereits Thema gewesen sein. Vizepräsident Rainer Koch, für den Schiedsrichterbereich zuständig, trat am Mittwoch zurück, nachdem er erst in der Vorwoche von den Vorwürfen gehört hatte. Der Vorsitzende des DFB-Schiedsrichterausschusses, Volker Roth, wusste hingegen von den Vorwürfen schon seit Dezember - und soll zunächst nichts unternommen haben. Der DFB betonte, der Verband und das Präsidium hätten nach Bekanntwerden des Vorwurfs "umgehend reagiert".
Homophobe Zwischentöne
Nun liegt es (zunächst) an dem Verband, die Sache ordentlich aufzuklären, ohne dass es zu homophoben Zwischentönen kommt (nachdem es schon nicht gelang, Indiskretionen über die Beteiligten vor einer internen Klärung des Falles zu verhindern). Dass sexuelle Nötigung und sexuelle Orientierung getrennte Themen sind, scheint zumindest nicht jedem Fußball-Fan klar zu sein. In den Leser-Kommentaren zu der Geschichte bei Bild.de, transfermarkt.de oder 11freunde.de gibt es den oder anderen homophoben Ausfall, der Thread zum Thema im Forum von Express.de heißt gar "Sexskandal! Inzucht unter Schiedsrichtern!"
DFB-Boss Zwanziger hatte in den letzten Jahren den Kampf gegen Homophobie im Fußball zur Chefsache gemacht und sich immer wieder ein Coming-Out eines Profisportlers gewünscht. Nun könnte es zu einem unfreiwilligen Outing eines DFB-Verantwortlichen und/oder eines Schiedsrichters unter gleichzeitigen Missbrauchsvorwürfen kommen, was die Mission nicht einfacher macht. Am letzten Mittwoch war Zwanziger zu einem Podiumsgespräch zum Thema in Hamburg geladen, ließ sich aber kurzfristig vertreten.
Nachtrag, 17.30h Laut einem Bericht der Zeitung "Die Welt" sollen dem DFB weitere Namen von Schiedsrichtern vorliegen, denen sich Amerell ebenfalls unsittlich genähert haben soll.
Normalerweise gilt jemand als unschuldig bis zum Beweis (!) des Gegenteils. Aber die BILD ist bei solchen Sachen natürlich schnell mit Vorverurteilungen, weil solche Storys die Auflage erhöhen. BILD ist kein journalistisches Produkt, sondern ein rein gewinnmaximierendes Unternehmen.
2. Selbst wenn da was dran ist:
ginge es um eine Frau, würde er für viele Fans als toller Hecht gelten.
3. Solche Einzelfälle (so es denn wirklich wahr ist) sollten nicht den Kampf gegen Homophobie im Fußball bremsen. Ganz im Gegenteil: man muss in dem Bereich mehr denn je arbeiten, damit irgendwann endlich jeder Fußballer offen leben kann, so wie es in anderen Bereichen ja auch längst möglich ist.