Musste der Armeechef des Landes gehen, weil er schwul gewesen sein könnte? Eine entsprechende Debatte stößt ausgerechnet "Weltwoche"-Autor Philipp Gut an.
Von Norbert Blech
Es ist eine komplizierte Geschichte, die derzeit unsere Nachbarn in der Schweiz bewegt. Und eine Geschichte, die an die Kießling-Affäre erinnert, die 1984 die Bundesrepublik erschütterte. Der Vier-Sterne-General und stellvertretende NATO-Oberbefehlshaber war von Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) gefeuert worden, nachdem Gerüchte über eine Homosexualität Kießlings die Runde machten und ihm daraus ableitend Erpressbarkeit vorgeworfen wurde. Nachdem sich die Gerüchte als haltlos erwiesen hatten, wurde Kießling wieder eingestellt.
"Im gegenseitigen Einvernehmen" auf sein Amt verzichtet hingegen hat der Schweizer Armeechef Roland Nef, rund ein halbes Jahr nach Dienstantritt im Sommer 2008. Grund waren Berichte in den Medien über einen gerichtlichen Streit aus den Vorjahren mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die ihm unter anderem Stalking vorgeworfen hatte. Die beiden einigten sich vor Gericht, der Korpskommandant zahlte Gerichtskosten und eine Entschädigung. Ein strafrechtliches Verfahren wurde eingestellt.
Da dieser Gerichtsstreit dem die Kandidaten auswählenden Bundesrat bei einer Überprüfung der persönlichen Verhältnisse nicht bewusst war, kam es zu deutlicher Kritik in den Medien und von Politikern. Nach einer Beurlaubung durch seinen Dienstherrn, um die Vorwürfe auszuräumen, schlug Nef dem Bundesrat vor, das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufzulösen. Zu den Vorwürfen sagte er nichts - bis er sich jetzt in einem Fernsehinterview zu Wort meldete.
Philipp Gut stellt Fragen
Nun kocht erneut eine Debatte über die Gründe des Ausscheidens Nefs an, und als Chefkoch könnte sich "Weltwoche"-Autor Philipp Gut erweisen. Der schrieb am Donnerstag in einem Kommentar, die Medien hüllten den "Kern des Konflikts in Schweigen". Gut berichtet, bei dem Streit zwischen Nef und seiner damaligen Lebensgefährtin sei es um eine homoerotische Beziehung des Mannes gegangen. "Offensichtlich aber versuchte Nef, seine Homosexualität zu unterdrücken. Dieser Umstand führte zur Eskalation und zu jenen Belästigungen und Schikanen, über die Nef nach Publikwerden der Affäre schliesslich stolperte", schreibt Gut.
Der Journalist, der wegen seiner Kritik an CSD-Paraden im letzten Jahr eine Homo-Gurke von der Queer.de-Redaktion bekommen hatte, nutzt den Kommentar zu der Frage, ob "ein Heerführer homosexuell sein" dürfe (nach seiner, recht abenteuerlich begründeten, Meinung nicht). Aus dem Kommentar entwickelt sich aber zugleich die Frage, ob Nef nicht gerade auch wegen einer möglichen Homosexualität gehen musste.
Sicherheitsrisiko Homosexualität?
Sechs Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Amt spekulierte bereits "SonntagsBlick", ob nicht eine Homosexualität von Nef ihm zu "Sicherheitsrisiko" gemacht hätte. "Wenn der Chef der Armee erpressbar ist, steht die Verteidigung des Landes auf tönernen Füssen", beginnt der Artikel und zitiert angebliche Gründe aus der Gerichtsakte, die Nef erpressbar gemacht hätten. Von Berichten über Ausrastern unter Alkohol abgesehen zielt der Artikel vor allem auf die vermeintliche homosexuelle Beziehung des Armee-Chefs. Neben einem Info-Kasten zur Kießling-Affäre bietet das Blatt auch zwei Experten auf: Eine "weitere Verletzlichkeit" der Person ergebe sich aus "dem Verdacht auf homosexuelle Neigungen", sagte der Strafrechtsprofessor Stefan Trechsel der Zeitung, auch der Psychologe Allan Guggenbühl durfte Stichworte geben: "In Militärkreisen kann schon der unberechtigte Verdacht der Homosexualität sofort ein Riesenproblem werden, weil es eben Vorurteile gibt. Dazu kommt, dass die Gesellschaft Führungspersonen gerne moralisiert."
Chefredakteur Hannes Britchgi lobte in einem Kommentar die "Zivilcourage" des Mannes, der die Akte Nef publik gemacht hatte. Und kommentierte: "Der oberste Chef der Armee, der seiner Truppe ein untadeliges Vorbild hätte sein müssen, brachte nicht die nötige persönliche Integrität für dieses hohe Amt mit. Zudem bestand die Gefahr, dass er deshalb erpressbar würde. Wenn nicht alles täuscht, hatte die Schweiz mit Roland Nef ein erhebliches Sicherheitsrisiko an die Spitze ihrer Armee berufen." Ob die Regierung ähnlich dachte? Nach dem Kommentar von Philipp Gut könnte es nun zu einer Debatte darüber kommen.