Der DFB-Verantwortliche Manfred Amerell, dem sexuelle Nötigung von mindestens einem Schiedsrichter vorgeworfen werden, geht in die Offensive. In einer Stellungnahme, in der er zugleich seinen Rücktritt von allen Ämtern anbot, bestätigte er am Freitag den engen Kontakt zu dem Schiedsrichter Michael Kempter - und zitierte aus einer privaten SMS.
In dieser Woche kam heraus, dass der DFB intern den Vorwurf gegen Amerell prüft, einen Schiedsrichter sexuell belästigt und womöglich daraufhin dessen Karriere befördert zu haben. Der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter aus Augsburg arbeitete im Schiedsrichter-Ausschuss und war unter anderem für die Aufteilung der Spiele an Schiedsrichter und die Talentförderung zuständig. Bereits im letzten Jahr soll sich der 27-jährige Michael Kempter beim Verband über eine entsprechende Annäherung beschwert haben (queer.de berichtete).
Während Kempter bisher zu der Sache schweigt, versucht sich Amerell in medialer Vorwärtsverteidigung. Heute ließ er über seinen Anwalt ein Schreiben verteilen, in dem er klarstellt, dass er "in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt einen jungen Bundesligaschiedsrichter sexuell belästigt" habe. Amerell weiter: "Ebenso wenig habe ich eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder unter Ausnutzung einer Notlage genötigt, sexuelle Handlungen von mir oder eines Dritten an sich zu dulden oder an mir oder einem Dritten vor zunehmen".
"Komme ohne Dich auch nicht klar!"
Allerdings, und damit wird nicht nur der Boulevard seine Freude haben, gibt er zu, mehr als nur einen rein sportlichen Kontakt zu ihm gehabt zu haben: "Ich hatte zu Michael Kempter (…) ein sehr gutes Verhältnis. Aus den zunächst rein sportlichen Kontakten entwickelte sich im Laufe der Zeit schließlich auch eine intensive private Freundschaft." Er habe Kempner "zu keinem Zeitpunkt gegen seinen Willen zu dieser freundschaftlichen Beziehung gezwungen", sie sei "einvernehmlich" gewesen.
Was alles einvernehmlich war, zu entsprechenden Spekulationen gibt eine SMS von Kempter reichlich Gelegenheit, die Amerell zitierte: "Wieso machen wir alles kaputt? Ist das nötig. Denke es ist nicht richtig, dass wir Hass aufeinander haben. Beide haben Fehler gemacht. Doch normal ist alles reparabel, oder? Tut mir echt weh! Komm doch ohne Dich auch nicht klar! Michi..." Die SMS soll vom 13. Januar stammen, also Wochen nach der Beschwerde. Es gebe viele weitere eMails und SMS, behauptet Amerell, der sich auch rechtliche Schritte vorbehält.
Gegenüber Welt Online meldete sich am Nachmittag Kempner zu Wort. "Es ist ein schwebendes Verfahren. Ich darf dazu nichts sagen", sagte er der Redaktion. Auf die Frage, ob die SMS von ihm stamme, sagte er: "Ich werde mal meinen Mailaccount überprüfen. Ich habe aber in jedem Fall die Wahrheit gesagt. Ich brauche nicht unruhig zu werden."
Nachtrag, 18h: Der DFB hat in einer Pressemitteilung den Rücktritt Amerells akzeptiert und ihn weiter belastet. "Wir nehmen den Schritt zur Kenntnis und halten ihn für richtig und notwendig, weil Erkenntnisse vorliegen, die leider die im Raum stehenden Vorwürfe gegen Herrn Amerell bekräftigen", heißt es in der Erklärung. "Dies ist das Ergebnis der in den vergangenen Tagen von DFB-Justiziar Dr. Jörg Englisch durchgeführten weiteren Anhörungen. Ob die von Herrn Amerell über seinen Anwalt verbreiteten Äußerungen unter diesen Umständen klug waren, möchten wir unkommentiert lassen." Die internen Ermittlungen würden nun "kurzfristig zum Abschluss" gebracht.
Nachtrag, 18:45h: Das Portal infranken.de hat zwei Schiedsrichter ausfindig gemacht, die sich in ihrer Karriere von Amerell übergangen fühlen. Dieser "hatte schon immer seine Lieblinge, die er bevorzugte und förderte", erklärt einer der beiden, einen Annäherungsversuch habe er abgewiesen. Man wird mehr davon hören. (nb)
Was kommt danach: Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter ...? Ein rollback, der schon seit einiger Zeit spürbar ist, scheint sich da anzubahnen - eine "geistig-politische Wende", auf die ich gut verzichten kann