Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte in einem Brief an Familienministerin Kristina Schröder (CDU) die "Blockadehaltung" Deutschlands beim europäischen Diskriminierungsschutz.
Der Brief (PDF) ist unterschrieben von 22 Amnesty-Direktoren aus EU-Ländern. Sie kritisieren im Vorfeld eines Treffens Schröders mit ihrer spanischen Amtskollegin Bibiana Aído, dass sich die Bundesregierung offiziell gegen einen EU-Richtlinienentwurf zum Diskriminierungsschutz ausgesprochen hat. Die EU will mit einer neuen Richtlinie die Hierarchie der Diskriminierungsopfer beenden: Bereits jetzt darf in der EU etwa wegen des Merkmals Rasse oder Geschlecht keiner beim Zugang zu Dienstleistungen diskriminiert werden; Schwule und Lesben nach jetzigem Europarecht jedoch sehr wohl (queer.de berichtete). CDU/CSU und FDP haben jedoch wiederholt eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie abgelehnt, da diese der deutschen Wirtschaft Schaden zufügen würde.
"Deutschland blockiert damit nicht nur die Verhandlungen über die Richtlinie im Rat. Es erlaubt auch anderen EU-Mitgliedstaaten, sich hinter dieser Haltung zu verstecken", heißt es in dem auf Englisch verfassten Brief. "Vor allem aber sendet Deutschland ein verheerendes Signal aus: Dass die EU nicht tätig werden müsse, um eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit, Alter oder Behinderung zu bekämpfen, die zur Wirklichkeit in Europa gehört, und dies nicht nur auf dem Arbeitsmarkt", schreiben die Amnesty-Direktoren.
Deutschland gefährdet Schwule in Litauen
Durch die deutsche Blockade würden etwa Schwule und Lesben in Litauen gefährdet, argumentiert die Menschenrechtsorganisation. So hatte der baltische Staat im vergangenen Jahr ein Gesetz erlassen, das Diskussionen um Homosexualität an Schulen verbietet und in der Öffentlichkeit einschränkt (queer.de berichtete). Menschenrechtler sehen darin einen Maulkorb für Homo-Aktivisten, der gegen die Redefreiheit verstößt und die Homorechte im baltischen Staat um Jahre zurückwerfe.
Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung noch festgestellt, dass die "Freiheit von Diskriminierung" zu den "unveräußerlichen Prinzipien" ihrer Menschenrechtspolitik gehöre. "Versuche, dies europaweit zu verwirklichen, lehnt sie jedoch mit dem Hinweis auf Bürokratieabbau ab", kritisierte Silke Voß-Kyeck, EU-Expertin von Amnesty International. "Das ist scheinheilig und verkennt völlig die Tatsache, dass Millionen Menschen in Europa der Rechtsschutz gegen Diskriminierung verweigert wird." Amnesty International will nun europaweit Druck auf die Bundesregierung ausüben, damit diese ihre Ablehnung gegen die Gleichbehandlungsrichtlinien überdenkt. (dk)