Seit Montag dürfen Behörden und Medien in dem EU-Land nicht mehr für Homosexualität werben.
Von Norbert Blech
Anhänger der These, dass sich die Geschichte doch wiederholt, haben ein neues Parade-Beispiel: Das von der Thatcher-Regierung in Großbritannien Ende der 80er Jahre erlassene Gesetz "Clause 28", das Behörden verbat, für Homosexualität zu werben (und 15 Jahre in Kraft blieb), feiert in Litauen Wiederauferstehung.
Die Gesetzesvorlage, die im letzten Jahr im Parlament des EU-Mitglieds debattiert wurde, nahm auf das Vorbild direkten Bezug: Die öffentliche Verbeitung von Materialien, die für Homosexualität "werben", sollte im Rahmen eines größeren Jugendschutzgesetzes verboten werden. Wie in Großbritannien wäre es etwa in Folge Schulen oder Bibliotheken unter Umständen nicht erlaubt gewesen, schwule Bücher oder Coming-out-Literatur zu verteilen; durch die schwammige Formulierung des Tatbestands sollte vor allem eine Selbst-Beschränkung erreicht werden.
Abgeschwächtes Gesetz in Kraft
Nach internationalen Protesten und einer merheitlich angenommenen Resolution des EU-Parlaments gegen das geplante Gesetz (die von den meisten Unionsabgeordneten aus Deutschland nicht unterstützt wurde) hat das litauische Parlament den Wortlaut des Gesetzentwurfes zwar abgeschwächt, er läuft aber in der Praxis auf das gleiche hinaus: Das am Montag in Kraft getretene Jugendschutzgesetz erwähnt Homosexualität (und wie ursprünglich auch Bisexualität) nicht mehr wörtlich, verbietet aber Materialien, die "sexuelle Beziehungen von Minderjährigen ermuntern, die Familienwerte verunglimpfen oder ein Konzept von Ehe und Familie fördern, das nicht in der Verfassung vorgesehen ist". Die litauische Verfassung definiert Ehe als Verbindung von Mann und Frau.
Das Gesetz, das nebenbei auch Sachen wie "verdorbene Sprache" oder Darstellungen von Tod, Gewalt und Paranormalität verbietet, gilt für alle Arten von öffentlichen Stellen und Erziehungseinrichtungen sowie für Medien, die Werbeindustrie und "alle anderen Arten öffentlicher Information". Es benennt bei Verstoß keine Strafen, räumt aber den Behörden die Möglichkeit ein, Materialen einzuziehen oder Handlungen zu unterbinden. Amnesty International befürchtet, es könnte auch zum Verbot von CSD-Demos verwendet werden. Der "Baltic Pride" in Vilnius ist für den 7. und 8. Mai in diesem Jahr angesetzt. Die Vereinigung von EU-Parlamentariern zu LGBT-Rechten hat angekündigt, diesen und die weiteren Auswirkungen des Gesetzes genau zu verfolgen.
Amnesty besorgt
John Dalhuisen, ein Sprecher von Amnesty International sagte, das "anachronistische" Gesetz stigmatisiere Schwule und Lesben und setze deren Vorsprechern finanziellen Risiken und Zensur aus. "Dieses Gesetz wird die Meinungsfreiheit beschränken und Menschen direkt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Gender-Identität diskriminieren", so Dalhuisen. Sein Verband hatte kürzlich Deutschland kritisiert, weil es sich nicht für einen ausreichenden Diskriminierungsschutz in ganz Europa stark mache (queer.de berichtete).
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