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- 14. April 2010 4 Min.
Die LSVD-Wahlprüfsteine zur Landtagswahl am Sonntag zeigen krasse Unterschiede zwischen den Parteien: Während sich die CDU als Verteidiger der Hetero-Ehe aufspielt, will die Opposition Homo-Projekte mehr fördern.
Von Dennis Klein
Begeisterung in der Szene sieht anders aus: "Diese Landesregierung interessiert sich leider kaum für die Probleme von Lesben und Schwulen", bilanziert Alexander Popp, Landesgeschäftsführer des Schwulen Netzwerks NRW, die vergangenen fünf Jahre der christlich-liberalen Koalition. Und die Antworten auf die Wahlprüfsteine des Lesben- und Schwulenverbandes wird dieses Urteil wohl kaum revidieren. Denn die Union scheint nach wie vor davon überzeugt zu sein, dass sie im Alleingang die heterosexuelle Ehe vor der schwul-lesbischen Bedrohung zu schützen hat.
"Der Schutz der Ehe ist nach unserem Grundgesetz Aufgabe des Staates", heißt es in einer Antwort, in der sich die NRW-Union gegen die Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" in den Gleichheitsartikel 3 des Grundgesetzes wehrt. Bislang sind dort etwa die Merkmale "Behinderung", "Rasse" oder "religiöse Anschauungen" ausdrücklich geschützt. SPD, Grüne und Linkspartei haben sich im Bundestag für die Grundgesetzänderung ausgesprochen, ebenso die CDU-geführten Landesregierungen von Hamburg und Saarland, an denen die Grünen beteiligt sind. Die NRW-CDU sieht diese Änderung jedoch offenbar als "Einstiegsdroge" für das Abenteuer Ehe-Öffnung.
Zudem versucht die Union, das Thema mit juristischen Spitzfindigkeiten zu umschiffen: "Eine rechtliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaften würde eine Verfassungsänderung erfordern" - eine Ansicht, die zumindest von Rechtswissenschaftlern außerhalb der Union nicht geteilt wird, da das Grundgesetz die Ehe nicht - wie in anderen Ländern - als exklusive Verbindung zwischen Mann und Frau definiert. Eine Änderung der Verfassung müsse eine "breite gesellschaftliche Mehrheit" finden, schreibt die Union, die benötigten Zwei-Drittel-Mehrheiten seien "bisher nicht zustande gekommen" - woran die Partei nicht gerade unschuldig ist.
CDU: Keine Gleichstellung für Beamte
Nicht einmal ihre eigenen verpartnerten Beamten will die Union gleichstellen, obwohl sich selbst die benachbarten CDU-Regierungen in Niedersachsen und Hessen dazu durchringen konnten. Dabei ignoriert die NRW-Union sämtliche Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundeverfassungsgerichts, die besagen, dass eine unbegründete Benachteiligung von Schwulen und Lesben eine verbotene Diskriminierung und grundgesetzwidrig sei. Für die CDU sind diese Urteile jedoch "nicht eindeutig" und "nicht auf alle Fälle des Versorgungs- und Besoldungsrecht übertragbar" - daher will sie erstmal eine Kommission einsetzen. Beamte, die auf die Umsetzung der Urteile pochen, müssen nun weiterhin die Gerichte bemühen, um ihre Forderungen durchzusetzen.
Im Gegensatz dazu spricht sich der derzeitige Koalitionspartner FDP in seiner Antwort dafür aus, "die verbleibenden Benachteiligungen eingetragener Lebenspartner gegenüber der Ehe" zu beseitigen. Eine steuerliche Gleichstellung von Homo-Paaren wollen die Liberalen "ggf. mit einer Bundesratsinitiative voranbringen". Mit welchem Partner sie das tun will, sagt die Partei aber nicht: Da sich die Liberalen praktisch an die homokritische NRW-Union gekettet haben und andere Koalitionen ablehnen, werden die Liberalen nicht in die Verlegenheit kommen, diese Versprechen umsetzen zu müssen.
Interessant ist zudem, warum die FDP eine Grundgesetzänderung des Artikel 3 ablehnt, die Schwule und Lesben explizit vor Diskriminierung schützen würde. Während die Union den Schutz der Ehe ausgehöhlt sieht, sprechen die Liberalen von einer "Aufblähung des Grundgesetzes", die letztendlich wirkungslos bleibe.
Mehr Geld für Homo-Projekte?
Viel homofreundlicher gibt sich hier die Opposition: SPD, Grüne und die bislang nicht im Landtag vertretene Linkspartei unterstützen etwa die Gleichbehandlung von verpartnerten Beamten und die Änderung des Artikels 3. Auch ein Ausbau von schwul-lesbischen Projekten wird angedeutet, meist ohne konkrete Zahlen zu nennen. Die Grünen stellen insgesamt der zielgruppenspezifischen AIDS-Prävention, Beratung, Betreuung und Pflege eine bessere finanzielle Ausstattung in Aussicht. Die Partei hatte dazu eine Verdoppelung der Landesmittel auf 1,2 Millionen Euro beantragt, was aber von CDU und FDP abgelehnt wurde.
Der Regierung stellen die Oppositionsparteien ein schlechtes Zeugnis in den schwul-lesbischen Themenbereichen aus: "Mit großer Sorge sehen wir ... die Entwicklung, dass die besondere Situation von Schwulen, Lesben und Transgender in den letzten Jahren weitgehend aus dem Fokus der Landesregierung verschwunden ist", schreibt etwa die SPD. Die Linkspartei kritisiert die Schulpolitik der schwarz-gelben Regierung, die eine Aufklärungfibel für Lehrer stoppen wollte, weil es sich dabei um "Werbung für Schwule" handelte (queer.de berichtete). "Das Signal war deutlich: Antidiskriminierungsarbeit ist nicht gewünscht. Hier muss der neue NRW-Landtag deutliche Korrekturen vornehmen", so die Linke.
Noch ist völlig offen, wer sich nach der Wahl am 9. Mai in NRW in der Macht sonnen kann. Derzeit haben laut Umfragen weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün eine Mehrheit, weil die Linkspartei voraussichtlich mit fünf bis sieben Prozent ins Parlament einziehen wird. Für Schwarz-Grün könnte es jedoch reichen. Rot-Rot-Grün erscheint nach dem Ypsilanti-Fiasko dagegen unwahrscheinlich - SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft hat den als äußerst undiszipliniert geltenden NRW-Linken ohnehin bereits die Koalitionsfähigkeit abgesprochen. Daher könnte es nach der Wahl noch Monate dauern, bis sich die unschlüssigen Partner finden - und hoffentlich mit der Einlösung ihrer Versprechen beginnen.
Links zum Thema:
» LSVD NRW: Alle Antworten der fünf Parteien















Dafür gehört Rüttgers abgestraft...selbst das Schwarz/Gelb regierte Niedersachsen unter Wulff passt aktuell sein niedersächsisches Landesrecht an die Eingetragene Partnerschaft an.
Daher in NRW sollte Rüttgers abgewählt werden, denn das es auch anders geht, zeigen Koch in Hessen und Wulff in Hannover.
Neben NRW wäre auch in Baden-Württemberg eine Abwahl der dortigen CDU/FDP Regierung zu empfehlen. Während Stuttgart und Düsseldorf nämlich das Landesrecht nicht anpassen, geschieht dies in Frankfurt und in Hannover.
So unterschiedlich können CDU/FDP Regierungen mittlerweile in Deutschland sein.
Rüttgers jedenfalls hat es nicht verdient, dass er wiedergewählt wird.