Die schwarz-gelbe Landesregierung von Jürgen Rüttgers ist zwar abgewählt, doch Rot-Grün fehlt genau eine Stimme im neuen Parlament. Mit Arndt Klocke (Grüne) und Marc Ratajczak (CDU) ziehen zwei offen schwule Politiker in den Düsseldorfer Landtag ein.
Von Micha Schulze
Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition ihre Mehrheit eingebüßt. Entgegen ersten Hochrechnungen haben aber auch SPD und Grüne die Möglichkeit zur Bildung einer Regierung knapp verpasst. Wahrscheinlich ist nun ein rot-rot-grünes Bündnis oder eine Große Koalition, weitere mögliche Optionen wären eine Ampel- oder eine Jamaika-Koalition.
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verliert die CDU von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers über zehn Prozentpunkte und stürzt mit 34,6% auf ihr schlechtestes NRW-Ergebnis. Die SPD mit ihrer Landeschefin Hannelore Kraft folgt knapp dahinter mit 34,5%. Die in Düsseldorf bisher mitregierende FDP von Andreas Pinkwart liegt mit 6,7% knapp über ihrem mäßigen Abschneiden von 2005 (6,2%). Die Grünen um Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann verdoppeln sich nahezu auf 12,1% (plus 5,9%). Die erstmals angetretene Linkspartei schafft mit 5,6% den Einzug in den Landtag.
Mit diesem Wahlausgang scheint vieles unklar, doch zumindest ist ein Ende der homopolitischen Eiszeit im größten deutschen Bundesland in Sicht: Die Regierung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers "interessiert sich leider kaum für die Probleme von Lesben und Schwulen", konstatierte der Geschäftsführer des Schwulen Netzwerks NRW, Alexander Popp, vor dem Urnengang. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sah sich sogar genötigt, bei der Präsentation seiner Wahlprüfsteine vor der Union zu warnen: "Was uns besonders erschreckt, ist die Tatsache, dass die CDU die rechtliche Gleichstellung von Lesben und Schwulen in Nordrhein-Westfalen nicht unterstützen will! Sie will verpartnerten Landesbediensteten weiterhin die rechtliche Gleichstellung im Besoldungs- und Versorgungsrecht vorenthalten."
Die mitregierenden Liberalen forderten im Wahlkampf - ebenso wie SPD, Grüne und die bislang nicht im Landtag vertretene Linkspartei - die Gleichbehandlung von verpartnerten Beamten. Die drei linken Oppositionsparteien forderten darüber hinaus ein Diskriminierungsverbot in der Landesverfassung. In ihren Antworten auf die LSVD-Wahlprüfsteine wurde auch ein Ausbau von schwul-lesbischen Projekten unterstützt.
Die christlich-liberale Landesregierung von Jürgen Rüttgers fasste das Thema Homopolitik in den vergangenen fünf Jahren dagegen nur mit spitzen Fingern an. So stoppte sie vorübergehend die Unterrichtshilfe "Mit Vielfalt umgehen", die Lehrer für andere Lebensweisen sensibilisieren sollte. Dann "vergaß" Integrationsminister Armin Laschet (CDU) im europäischen Jahr der Chancengleichheit 2007 Homo-Aktivisten mit einzubeziehen. Nicht zuletzt kürzte die Landesregierung im Jahr 2006 die Mittel für die homosexuelle Selbsthilfe um 20 Prozent.
Mindestens zwei Schwule im neuen Landtag
Zwei offen schwule Politiker haben den Einzug in den neuen Landtag geschafft: Neben dem grünen Landesvorsitzenden Arndt Klocke, den die Ökopartei auf den sicheren Listenplatz sechs gesetzt hatte, zieht der bisherige schwulen- und lesbenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Marc Ratajczak, zum zweiten Mal in das Landesparlament ein. Der einstige Vize-Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) verteidigte sein Direktmandat im Wahlkreis Mettmann IV mit einem knappen Vorsprung von 1,2 Prozentpunkten. Ratajczak war in der abgelaufenen Legislaturperiode homopolitisch kaum aufgefallen, ließ sich aber zumindest auf CSD-Veranstaltungen blicken und verteidigte den schwulen FDP-Außenminister Guido Westerwelle in Presse-Statements.
Ratajczaks schwuler Parteifreund Chris Bollenbach verpasste hingegen den Wiedereinzug. Er scheiterte als Direktkandidat im Wahlkreis Herford II., auch sein eigentlich guter CDU-Listenplatz 20 nutzte ihm nichts, da die Union sämtliche Sitze in Wahlkreisen errungen hat. Der verpartnerte Bollenbach saß seit 2005 im Landtag, fiel jedoch kaum auf. Weder auf seiner privaten Homepage noch auf der Landtags-Webseite gibt es einen Hinweis auf seinen Familienstand.
Nicht gereicht hat es auch für Schwuso-Landeschef Dirk Jehle, der als Direktkandidat im Wahlkreis Düsseldorf III angetreten war. Mit 34,3% landete er 4,9 Prozentpunkte hinter dem CDU-Bewerber. Sein Landeslisten-Platz 74 galt von vorn herein als aussichtslos.
Vergeblich Hoffnungen auf das allererste grüne Direkmandat machte sich - trotz sicheren Listenplatzes - der Landesvorsitzende Arndt Klocke. Er trat im Wahlkreis Köln III an, zu dem unter anderem die Szene-Stadtteile Ehrenfeld und Nippes gehören. Vor fünf Jahren erzielte er hier mit 18.9% das landesweit beste Einzelergebnis der Grünen, diesmal kam er sogar auf 25,3% - blieb aber 12,3 Punkte hinter dem SPD-Kandidaten Martin Börschel.
Bei den anderen Parteien wurden keine offen schwul-lesbischen Abgeordneten bekannt. Die Linke setzte ihren Vorzeige-Schwulen, den Düsseldorfer Ratsherren Frank Laubenburg, nur auf Listenplatz 18. Ebenso aussichtslos war der Einzug in den Landtag für Anselm Riddermann, der im Wahlkreis Köln I für die FDP um ein Direktmandat kämpfte.
aktualisiert am 10.05. um 18:44 Uhr
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