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- 12. Mai 2010 3 Min.
In seinen Songs erzählt Sizzla, dass es Spaß macht, Schwule zu töten. Seine Botschaft sollen im Sommer auch deutsche und österreichische Fans hören.
Von Dennis Klein
"Sizzla Kalonji ist unbestritten eine der schillerndsten, aber auch umstrittensten Figuren in der Reggae- und Dancehall-Szene", freuen sich die Veranstalter des seit 1995 stattfindenden Open-Air-Festivals "Chiemsee Reggae Summer". Dieses Jahr treten rund 40 Sänger oder Bands zwischen dem 27. und dem 29. August auf; Presenting-Sponsor ist die Bierbrauerei Beck's. Zudem hat sich Sizzla für Ende August auch zum österreichischen "Sunsplash Reloaded Festival" in Wiesen (Burgenland) angemeldet.
Am Chiemsee werden wie letztes Jahr ca. 25.000 Reggae-Fans erwartet. Sizzla scheint dabei den Veranstaltern besonders am Herzen zu liegen: "Beim Chiemsee Reggae Summer feiert der Jamaikaner 2010 seinen einzigen Festival-Auftritt in Deutschland", so die gegenwärtige Topmeldung im Nachrichtenticker des Festivals.
Die sonst schwache Nachfrage nach Sizzla hat seinen Grund: In einigen Liedern ruft er zur Ermordung von Schwulen auf. So heißt es in einem Song: "Lesben und Schwule, ich sage, tot sollen sie sein. Ich traue Babylon für keine Sekunde. Ich gehe und erschieße Schwule mit einer Waffe". Bei diesen Liedern handelt es sich nicht um eine "Jugendsünde", denn Sizzla steht nach wie vor hinter den gewaltverherrlichenden Texten, wie der 34-Jährige erst vor zwei Monaten in einem Interview beteuerte: "Ich kann nicht damit aufhören, diese Lieder zu singen, denn es gibt da eine Message in diesen Songs, die die Leute hören sollten" (queer.de berichtete).
Sizzla hatte bereits in den letzten Jahren Schwierigkeiten, seine Hasslieder in Deutschland und Europa zu verbreiten. So wurde er 2008 bei einer Konzerttour in Spanien verhaftet und abgeschoben, weil die deutsche Bundesregierung ein Einreiseverbot in den Schengenraum erwirkt hatte (queer.de berichtete). Ein Jahr später durfte Sizzla wieder einreisen und in einigen Städten auftreten, allerdings gab es groß angelegte Proteste. In Berlin konnte ein Auftritt von Sizzla verhindert werden (queer.de berichtete).
Toleranz gegenüber Intoleranten?
Hierzulande wird in der Homo- und der Reggae-Szene seit Jahren darüber diskutiert, wie man mit homophoben Sängern aus Jamaika umgehen kann. So setzen sich etwa in Österreich Homo-Aktivisten dafür ein, dass Proteste gegen die Band T.O.K. (Liedtext: "Meine Nigger und ich werden dafür schon sorgen: Schwule müssen sterben") ausgesetzt werden, weil sich die Band glaubhaft von ihrer mörderischen Ideologie distanziert habe (queer.de berichtete). Beim Schwulenhasser Sizzla ist eine solche Einsicht aber kaum zu erwarten.
Zwar gibt sich die deutsche Reggae-Szene homofreundlicher als die jamaikanische, allerdings wird auch hier Gewalt gegen Schwule bagatellisiert - stets mit dem Hinweis, dass man nicht deutsche Maßstäbe der Homo-Toleranz in einer "anderen Kultur" ansetzen könne - und es genüge, wenn Sizzla seine schlimmsten Hasslieder nicht auf Konzerten in Deutschland singe. So erklärte der Wuppertaler U-Club, dass die Mordaufrufe schließlich Teil der jamaikanischen Kultur seien und damit sakrosankt: "Homophobie ist auf Jamaika kulturell, religiös und sogar gesetzlich verankert" (queer.de berichtete).
Auch der Reggae-Sänger Gentleman, der sich selbst gegen jegliche Homophobie ausgesprochen hat, drückt bei seinen jamaikanischen Kollegen offenbar lieber ein Auge zu: "Ich kann ja auch nicht Kondomautomaten im Vatikan aufstellen. Oder im Iran gegen Kopftücher protestieren", so der 34-Jährige in einem Zeitungsinterview (queer.de berichtete). Er wird wie Sizzla beim Chiemsee Reggae Summer auftreten.
"Gegen verfassungsfeindliche Zensurbestrebungen"
Die Chiemsee-Veranstalter schlagen in dieselbe Kerbe: "Wir sind für Kunstfreiheit, wir sind für Meinungsfreiheit, den Respekt vor anderen Kulturkreisen und wir sind gegen verfassungswidrige Zensurbestrebungen. Selbstverständlich achten wir und alle auftretenden Künstler darauf, dass beim Chiemsee Reggae Summer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland eingehalten werden", erklärten sie trotzig auf ihrer Website. Morde an Homosexuellen außerhalb des Alpenvorlandes interessieren am Chiemsee offenbar nicht.














Auch Dancehall Künstler haben das Recht aufzutreten, wenn keine Äußerungen zu erwarten sind, die Rechte Dritter verletzen.
Verbote müssen Ultima ratio bleiben. Schlíeßlich leben wir in einem Rechtsstaat.
Man sollte das Konzert eher dazu nutzen, um mit Sizzla in Dialog zu treten.