Der neue stramm konservative Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) will den CSD Stuttgart offenbar totschweigen - seine Landesregierung straft die Veranstaltung daher mit Nichtbeachtung und verweigert ein Grußwort.
Wie die CSD-Organisatoren am Donnerstag mitteilten, weigert sich die christlich-liberale Regierung Baden-Württembergs, ein Grußwort für die schwul-lesbische Veranstaltung zu verfassen. Anfragen an den Ministerpräsidenten und das Sozialministerium sind negativ beschieden worden, da es "keinen Automatismus" für ein Grußwort gebe.
CSD-Chef Christoph Michl bedauert den "Rückwärtsgang" der Regierung, zeigt sich aber wenig überrascht: "Schwule und Lesben im Ländle sind das gewohnt. Traurig ist die rote Laterne trotzdem", so Michl. "Die CDU-geführte Landesregierung scheint zwar vieles zu können, Hochdeutsch und Toleranz scheinen aber nicht dazu zu gehören". In der Vergangenheit hatte Mappus den CSD als "abstoßend" bezeichnet.
Bereits in den letzten Jahren war die Frage des Grußworts in der schwäbischen Metropole stets ein Politikum. Dabei schien sich 2005 alles zu normalisieren: Der damalige Sozialminister Andreas Renner (CDU) übernahm die CSD-Schirmherrschaft und Ministerpräsident Günther Oettinger (ebenfalls CDU) verfasste das Grußwort. Doch dann kam die konservative Gegenreaktion: Nach Anschuldigungen der katholischen Kirche musste der Hoffnungsträger Renner zurücktreten (queer.de berichtete) - er hat sich danach aus der Politik zurückgezogen.
Schon Oettinger knickte ein
Nach dieser Erfahrung bekam auch Oettinger kalte Füße und wollte nichts mehr vom CSD wissen (queer.de berichtete). Er delegierte die Aufgabe an seine Sozialministerin Monika Stolz weiter, die diese Aufgabe übernahm - zumindest bis 2008: Dann stand der CSD unter dem Motto "Ich glaube..." - und nach Protesten christlicher Aktivisten entschloss sich die Landesregierung dazu, den CSD einfach zu ignorieren (queer.de berichtete). Ein Jahr später - die CSD-Organisatoren hatten diesmal das weniger kontroverse Motto "Macht Mut!" ausgewählt - fasste sich die katholische Sozialministerin ein Herz und schrieb wieder ein Grußwort. Unter dem neuen Ministerpräsidenten wird das dieses Jahr aber offenbar nicht mehr geduldet.
Bereits im Vorfeld des CSDs hat sich innerhalb der CDU eine härtere Gangart angekündigt: So kritisierte der Evangelische Arbeitskreis (EAK) der CDU Baden-Württemberg Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) scharf, weil sie die Schirmherrschaft übernommen hat (queer.de berichtete). Die christliche Gruppe sieht in CSDs lediglich "obszöne Provokationen", die nicht mit dem Jugendschutz vereinbar seien.
Der Schwaben-CSD findet dieses Jahr vom 23. Juli bis zum 1. August unter dem Motto "schön wär's" statt. Zur Politparade am 31. Juli werden nach Polizeiangaben mehr als 200.000 Besucher erwartet.
Schlusslich bei Homo-Rechten
Baden-Württemberg ist unter den Bundesländern das Schlusslicht in Sachen Homo-Gleichstellung. Als einziges Land schreibt es nicht generell das Standesamt als Eintragungsort für Lebenspartnerschaften fest; in manchen Gemeinden mussten Schwule und Lesben daher in Kfz-Zulassungsstellen "heiraten". (dk)
Aber ein Politikum ist es schon, dass ein 'Spitzenpolitiker' (gemeint ist die Stellung nicht die Leistung) so wenig Geschichtsbewusstsein beweist, dass er einer über weite Teilen der Geschichte schwer verfolgten Minderheit die Anerkennung versagt, wenn sie ihre Erfolge feiert und aufzeigt, was an der vollständigen Gleichstellung noch fehlt. Außerdem - so denke ich - ist es auch ein schwerer politischer Fehler, denn das fällt ihm irgendwann wieder vor die eigenen Füße! Wetten?