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- 29. Mai 2010

Der zweite, größere Protest am Samstag (Volker Beck trägt rechts die Flagge mit) (Bild: Gayrussia.ru / Kirill Nepomnyaschiy)
Trotz des Verbotes marschierten am Samstag 30 bis 50 Schwule und Lesben durch die russische Hauptstadt, es gab auch eine zweite Demonstration. Angegriffen oder verhaftet wurde niemand.
Von Norbert Blech
Welch ein Erfolg: Laut Interfax musste die Polizei am Nachmittag bekanntgeben, niemanden wegen der Teilnahme an einer verbotenen Demonstration verhaftet zu haben. Schwul-lesbische Aktivisten hatten sich zuvor ein Versteckspiel mit den Behörden geleistet: in der Stadt wimmelte es von Polizisten, doch schließlich gelang es 30 bis 50 Schwulen und Lesben, mit einer großen Regenbogenflagge am Leningrader Prospekt zu demonstrieren.
Der deutsche Grünenpolitiker Volker Beck und der britische Aktivist Peter Tatchell waren unter den Teilnehmern der Demonstration, die von einer kleinen Gruppe rund um Nikolai Aleksejew von gayrussia.ru organsiert wurde. Zuvor hatte es in einem anderen Bereich der Innenstadt eine kleinere Demonstration von Aktivisten gegeben, die nicht mit dem Gay Pride Moscow in Verbindung stehen.
Queer.de informierte über die neusten Meldungen aus Moskau im folgenden Ticker. Bei UK Gay News gibt es eine Reportage von Peter Tatchell mit Bildern.
Live-Ticker (abgeschlossen, )
Volker Beck gibt auf Facebook sein Resümee:
"Wir haben uns nicht klein kriegen lassen! Dass der Gaypride Moscow 2010 trotz Verbot stattfand, ist dem Mut und der Weisheit der Organisatoren zu verdanken. Luschkow hat sich heute blamiert, Medwedew wurde bloßgestellt: Es ist ein großer Erfolg, dass Moskaus Lesben und Schwule Flagge gezeigt haben, ohne dass es zu gewaltätigen Ausschreitungen und Verhaftungen kam."
Am nächsten Morgen drohe mit einer Demonstration für Versammlungsfreiheit "die nächste Blamage", schreibt Beck weiter, der auch ein Foto von sich bei der Demonstration postet:

Das offizielle Moskau ist angepisst: Reuters berichtet, die Moskauer Polizei habe eine Stellungnahme abgelehnt. Ein Sprecher des FSB habe die Agentur gebeten, Fragen schriftlich zu stellen. Eine Antwort sei nicht vor Montag zu erwarten.
Laut AFP haben rund 30 Aktivisten an dem Haupt-Protest teilgenommen. Die Sprechchöre, die in den beiden Video zu hören sind, werden mit "Rechte für Schwule", "Russland ohne Homophobe" und "Homophobie ist eine Krankheit" übersetzt. "Wir wollten zeigen, dass ein friedvoller Protest von Schwulen und Lesben in der Stadt möglich ist", sagte Nikloai Alekseev der Agentur nachdem die Verbote immer aufgrund von angeblichen Sicherheitsbedenken ausgesprochen worden waren. "Wir haben keinen Verkehr gestört, wir haben keine Rechte von anderen Bürgern verletzt", sagte der Organisator weiter. Die Überschrift der englischen Agenturmeldung übernimmt die Aussage von Peter Tatchell, die Polizei sei "überlistet" worden.
Rainer vom Blog Samstag ist ein guter Tag hat bei den Organisatoren des Moscow Pride nachgefragt, wieso sie selbst von nur einer Demonstration berichten. Die Antwort:
"Die Kundgebung am Novy Arbat war eine Nebenveranstaltung, die in keiner Verbindung zum Moscow Pride stand. Sie wurde von einer Gruppe linker Organisationen organisiert, die die Medienaufmerksamkeit rund um den Moscow Pride nutzen wollten. Doch mit unserer Veranstaltung haben sie nichts zu tun. Der Moscow Pride ist unpolitisch und steht nicht in Verbindung zu einer politischen Strömung."
Während die Autoren von UK Gay News sich noch sammeln, gibt es auf der Webseite von gayrussia.ru erste Bilder von der zweiten Demonstration (von der ersten ist man sich dort offenbar noch nicht bewusst, wenn man das denn getrennt zählt).
In einem Statement auf der Webseite freut sich Organisator Nikolai Alekseev, dass der Protest trotz des Verbots durch die Stadtverwaltung und den bestätigenden Gerichtsentscheidungen stattfinden konnte:
"Wir schauen nun nach vorne auf die Gerichtsentscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und hoffen, dass im nächsten Jahr der erste genehmigte CSD in Moskau stattfindet."
Alekseev entschuldigte sich bei Journalisten, die an den Büros der Europäischen Kommission auf die Demonstration gewartet hatten. Aufgrund der Bewachung von Aktivisten und Journalisten durch die Polizei habe man Wege finden müssen, um eine Demonstration abzuhalten, ohne Verhaftungen und Schlägereien zu riskieren.
Die Aktivisten von Gayrussia.ru haben auf Youtube zwei Videos (1, 2) vom Protest am Leningradsky Prospect eingestellt.
Die Organisatoren des CSD in Moskau melden auf gayrussia.ru: "25 Aktivisten haben mit einer 20 Meter langen Regenbogenflagge gewedelt und Polizei und (Gegen-)Demonstranten ausgetrickst. Der Marsch ging 300 Meter ab dem Bahnhof Belaruskaya", Bilder und Videos soll es später geben.
Die Station Belaruskaya liegt am Beginn des Straße Leningradsky Prospect. Der andere Protest in der Fußgängerzone Stary Arbat hat einige Kilometer entfernt davon stattgefunden, allerdings Stunden zuvor. Gegen die Möglichkeit, dass die Teilnehmer zum eigentlichen Protest wollten und die Kameras von Russia Today und anderen Medien einfach schonmal filmten, spricht die eigentliche Geheimhaltung der Aktion aufgrund der ursprünglichen Angst, schon vor der Demonstration verhaftet zu werden.
Die Webseite von Interfax bietet in ihrer russischen Version keinen Hinweis auf die erfolgten Demonstrationen. Stattdessen gibt es zwei aktuelle Meldungen, in der jeweils ein Sprecher des muslimischen und des christlichen Glaubens Homosexualität verbannt. Auf den meisten Nachrichtenseiten Russlands ist der Moskauer CSD kein Thema.
Nachdem wir uns wunderten, auf den TV-Bildern weder Beck noch Tatchell noch Alekseev entdeckt zu haben, müssen wir etwas klarstellen:
Es gab zwei schwul-lesbische Demonstrationen in Moskau.
Eine entsprechende Meldung der Nachrichtenagentur AP passt zu den bisherigen Bildern und Augenzeugen-Berichten. Demnach gab es zuerst eine Demonstration in der Fußgängerzone Stary Arbat, von der die Fernsehbilder stammen. Weniger Teilnehmer fand später die Demonstration auf der Straße Leningradsky Prospect, an der auch Volker Beck und Peter Tatchell teilnahmen. In beiden Fällen kam es zu keinem Einschreiten der Polizei.
Russia Today bietet die kurze Video-Reportage nun auch online.
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Links zum Thema:
» Webseite des CSD Moskau















