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Die Junge Union prescht mit konservativen Idealen und einer Ablehnung der Homo-Ehe vor, die CDU streitet und die Opposition kritisiert - willkommen im wilden Süden.
Von Dennis Klein
In Sachen Homo-Rechte gilt Baden-Württemberg inzwischen als Schlusslicht in Deutschland: Als einziges Bundesland beharren die Badener und Schwaben etwa darauf, das Standesamt nicht generell als Eintragungsort für Homo-Ehen zuzulassen - die Kfz-Zulassungsstelle tut's ja auch. Zudem hat der Landtag erst im Februar mit Stefan Mappus einen Ministerpräsidenten gewählt, der CSDs als "abstoßend" bezeichnet und bei jeder Diskussion über Homorechte laut "ha noi" ruft.
Ein Land wie gemacht für die Junge Union Göppingen: Der Provinz-Nachwuchs veröffentlichte vor einigen Wochen ein Positionspapier mit dem Titel "Die K-Frage der Union" - das "K" steht hier für Konservatismus. Die 34-seitige "Eislinger Erklärung" dient vor allem dazu, ein Feindbild aufzubauen nach dem Motto: "Hier wir Konservativen, dort ihr Bösen". Dabei arbeiten die Jungpolitiker auch mit umstrittenen Vokabeln wie "Überfremdung". Als Gegner bezeichnen sie "linke Gruppierungen", die "seit der Kulturrevolution Ende der 60er Jahre" christliche Werte ("und damit unsere Ordnung") bekämpften. Damit werden deutsche "Linke" gar in die Nähe der Greueltaten Mao Zedongs während der "Großen Proletarischen Kulturrevolution" gerückt.
Homo-Partnerschaft "widerspricht christlichen Grundsätzen"
Plakat der Jungen Union Rheda-Wiedenbrück (NRW)
Zu den Bösen gehören natürlich auch Schwule und Lesben: "Die eingetragene Partnerschaft, die so genannte Homo-Ehe ist im Interesse des Staates und seiner Zukunft falsch und unsinnig. Und sie widerspricht christlichen Grundsätzen zutiefst", stellen die Jungkonservativen fest.
Das Papier schwelte in der Region Stuttgart über Wochen vor sich hin. Inzwischen kritisieren selbst Christdemokraten, dass Ministerpräsident Mappus den Kindergarten gewähren lässt. So drohte etwa der Filderstädter CDU-Stadtrat Ralf Berti mit dem Parteiaustritt, weil es sich bei dem Text nicht mehr um konservatives Gedankengut handele: "Ich verlange eine transparente Distanzierung von Herrn Mappus zu diesen rechtslastigen Parolen", erklärte der Politiker aus dem Landkreis Esslingen. Der SPD-Landtagabgeordnete Stefan Braun stellte laut dpa fest: "Weder der Ministerpräsident noch die örtliche CDU findet die Kraft, sich davon zu distanzieren". Bei vorwärts.de heißt es sogar: "Skandal: Nazi-Parolen in der Jungen Union".
Mappus hüpft nicht
Ministerpräsident Stefan Mappus
Stefan Mappus bleibt jedoch cool. Er weigert sich derzeit, über das Papier der Göppinger überhaupt zu reden: "Ich werde nicht über jedes Stöckchen hüpfen, das mir jemand hinhält", sagte er launisch. Woraufhin der Filderstädter Stadtrat Berti konterte: "Aus dem Stöckchen kann leicht eine Deutsche Eiche werden."
Die FDP, die gemeinsam mit der CDU seit 1996 das Land regiert, scheint das Ganze als Happening zu begreifen - und sieht die Junge Union offenbar als konservative Version eines jungen Joschka Fischer, der noch erwachsen werden muss: "Wer mit 20 kein Sozialist ist, hat kein Herz. Wer es mit 30 noch immer ist, hat keinen Verstand. Das Gleiche wollen wir auch auf die Buben von der JU angewendet wissen", sagte der liberale Landtagsabgeordnete Hagen Kluck. Die seltsame Erklärung sei nicht mehr und nicht weniger als eine "Jugendsünde".
Logisch, denn in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise sind Folgekosten von Erdbeben auch möglichst zu vermeiden