Nadja Benaissa bei einem Auftritt 2008 (Bild: Arne List / flickr / by-sa 2.0)
Die Sängerin Nadja Benaissa hat gleich zu Beginn des Prozesses vor dem Amtsgericht Darmstadt zugegeben, ihre Verantwortung als HIV-Positive beim Sex mit Partnern vernachlässigt zu haben. Sie sei davon ausgegangen, dass das Risiko einer Ansteckung "gegen Null" gehe, sagte sie am Montag in der wegen des Andrangs in einen Saal des Landgerichts verlegten Verhandlung.
Ihr wird vorgeworfen, zwischen 2000 und 2004 mit mindestens drei Männern intim geworden zu sein, ohne sie über ihre HIV-Infektion zu informieren oder Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu haben. Von ihrer Infektion wusste die Sängerin seit 1999.
Einer der Männer soll laut Staatsanwaltschaft als "mutmaßliche Folge" nun auch HIV-positiv sein, weswegen die Anklage auf gefährliche Körperverletzung lautet. Für die anderen Fälle ist sie zudem wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Der Mann tritt beim Prozess als Nebenkläger auf und warf der Angeklagten am ersten Verhandlungstag vor, mit ihm "fünf bis sieben Mal" ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Die junge Frau habe ihm damals nichts von der HIV-Infektion erzählt. Hätte er keinen HIV-Test durchführen lassen, wäre er "dumm gestorben" und hätte viele weitere Frauen angesteckt, mutmaßt der 34-Jährige.
Sexualpartner seien "absolut sorglos" mit Sex umgegangen
Der Anwalt der Sängerin erklärte gleich zu Beginn des Verfahrens, dass sich Benaissa unvorsichtig verhalten habe. Er verlas zu Beginn des Prozesses eine Stellungnahme: "Mir wurde gesagt, dass die Wahrscheinlichkeit, jemanden anzustecken oder dass bei mir die Krankheit ausbricht, gegen Null geht. Deswegen habe ich das meinem Bekanntenkreis auch verschwiegen", hieß es in der Erklärung. "Ich wollte nicht, dass meine Tochter gebrandmarkt wird. Den Bandmitgliedern habe ich es gesagt, weil ich ihnen vertraute. Ich habe es nie öffentlich gemacht, da ich fürchtete, dass das das Ende der ganzen Band bedeutet hätte."
In den Jahren seien ihre Sexualpartner "absolut sorglos" mit Sex umgegangen. Sie habe zwar meist auf die Benutzung von Kondomen geachtet, allerdings habe es nach Partys und Alkoholkonsum auch Ausrutscher gegeben. Sie erkenne jetzt aber an, dass ihr eigener "Umgang mit der Krankheit" falsch gewesen sei.
Benaissa öffentlich an den Pranger gestellt
Benaissa war im April 2009 öffentlichkeitswirksam vor einem Konzert in einem Frankfurter Club festgenommen worden (queer.de berichtete). Die Künstlerin musste insgesamt zehn Tage in Untersuchungshaft verbringen, bis sie wieder frei kam (queer.de berichtete). In dieser Zeit hat die Presse genüsslich über das Privatleben Benaissas berichtet.
Gleich nach der Verhaftung kritisierten Aids-Aktivisten die öffentliche Bloßstellung der Sängerin. Die Verantwortung für den Sexualverkehr sei ihr allein zugeschoben worden, ohne nach der Mitverantwortung ihrer Sexualpartner zu fragen, bemängelte etwa die Deutsche Aids-Hilfe (queer.de berichtete). Safer Sex sei immer eine Aufgabe aller Beteiligten.
Da die Fälle bis ins Jahr 2000 zurückreichen, findet das Verfahren gegen die 28-Jährige vor dem Jugendschöffengericht statt. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage angesetzt. Im Falle einer Verurteilung drohen Benaissa bis zu zehn Jahre Haft. (dk)