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- 30. August 2010 5 Min.

Das weltweite erste nationale Denkmal für homosexuelle Männer und Frauen: Homomonument an der Westerkerk (Bild: Teerapol Promsuk)
Der Herbst ist die beste Zeit, um die niederländische Grachtenstadt und ihre nach wie vor beeindruckende Szene unsicher zu machen.
Von Falk Stein
Die Tage werden kürzer, bunt gefärbte Blätter: Es naht der Herbst. Beste Zeit also, um Amsterdam unsicher zu machen. Die rummeligen und hysterischen Großveranstaltungen wie Canal Parade, Grachten Festival oder die nur alle fünf Jahre stattfindende Sail sind vorbei, es ist etwas Ruhe eingekehrt in die größte der kleinen Städte.
Fragen wir doch gleich den Experten: Warum Amsterdam? "Schwule sollten jede Stadt besuchen, die Freiheit und Toleranz bietet, und gerade Amsterdam hat Freiheit und Toleranz zu bieten!", sagt Hans vom Gay Tourist Information Centre (GAYtic). Die Niederlande waren das erste Land, das die Homo-Ehe erlaubte, und Amsterdam war die erste Stadt, in der ein nationales Denkmal für homosexuelle Männer und Frauen entstand, das Homomonument an der Westerkerk.
Natürlich gab und gibt es Probleme: Schwulen werden beschimpft, angegriffen und zusammengeschlagen - nicht selten von Menschen mit Migrationshintergrund, aber Hans würde Amsterdam keinesfalls als gefährlich bezeichnen: "Blödsinn! Das ist nicht schlimmer als in jeder anderen Stadt, in der es Leute gibt, die Probleme mit Schwulen haben. Das passiert leider, aber Amsterdam ist alles in allem eine sichere Stadt." Tolerant wie er ist, will er auch keine einzelne Bar oder Kneipe herausstellen oder empfehlen: "Wer Leder mag, wird in der Warmoestraat fündig, wer Lounge-Atmosphäre bevorzugt, sollte in die Reguliersdwarsstraat gehen, und in den Bars und Kneipen im Amstelviertel schließlich trifft man eher auf locals."
Wer sich über die (schwulen) Möglichkeiten informieren möchte, kann dies vor Ort bei GAYtic in der Spuistraat 44 oder im Pink Point direkt an der Westerkerk tun. Hier gibt es auch die kostenlose gay tourist bag mit Veranstaltungsflyern, Stadtplan, dem zweisprachige Magazin Gay Night und Coupons für gratis Drinks.

Die Fotoredaktion merkt freundlich an, dass die Coffee Shops nicht nur von Amis besucht werden: 10 Euro kosteten die 1,4 Gramm "Bubble Gum"... (Bild: Micha Schulze)
Wenn man in der erwähnten Warmoestraat die bekifften Amis und die besoffenen Engländer glücklich umschifft hat, kann man sich selbst dem Rausch hingeben - dem Kaufrausch. Fetischausstatter Mr. B hat im Haus mit der Nummer 89 seinen Flagship-Store und Mitbewerber RoB erwartet kaufkräftige Kunden im huisje mit der Nummer 71. Letzteres war übrigens - man nennt das wohl Ironie der Geschichte - einst eine Mädchenschule. Jetzt wird hier eine andere Facette von Erziehung vermittelt... Eher etwas für Freunde des Fetisches Unterwäsche oder Anzug ist das Kaufhaus de Bijenkorf. Hier kann man auf recht edle Weise viel Geld loswerden, bei den regelmäßig stattfindenden sales aber auch gehörig Schnäppchen schießen.
Schräg gegenüber im ehemaligen Postamt hinter dem Schloss, dem Magna Plaza, wartet das nächste Shoppingparadies. In atemberaubender, historischer Architektur macht das Geldausgeben noch mal so viel Spaß. Wer ungewöhnliche, witzige und zuweilen nutzlose Kleinigkeiten sucht, wird hinter dem Magna Plaza bei "Artika" fündig (Raadhuisstraat 2). Mein Favorit war eine Getränkeflasche mit Mutter Gottes-Bild und dem Aufdruck "Holy Water".
Noch ein paar Schritte weiter und man ist im Herzen des Jordaan, einem ehemaligen Arme-Leute- und Arbeiter-Bezirk, der sich fein herausgeputzt hat, vor allem die Negen Straatjes - also die neun Sträßchen - beherbergen Boutiquen und Designer, Schnickschnack- und Feinschmeckerläden.
Das frisch erworbene Gummi- oder Ledergewand kann man in einer der Lederkneipen in der Warmoestraat ausführen (der Klassiker "Cockring" musste wegen Ärger mit Drogen leider schließen), noch besser kann man es bei der monatlich stattfindenden XXX-Leather-Party in Szene setzen. Hin und wieder finden die Parties in der Church statt - nein, keine ehemalige Kirche, sondern ein charmant hutzeliges Häuschen in der Kerkstraat 52, in der auch andere Motto-Feten steigen. Heißer Tipp für Freitags ist (z)onderbroek, was so viel heiß wie "(k)eine Unterhose". Die meisten tragen zwar einen Schlüpper, aber der ist dann auch schnell in einem der Dunkelräume ausgezogen. Schwindel erregend sind dabei nicht nur die Begegnungen, sondern auch die steilen Treppen zu den Toiletten und Darkrooms. Nichts für Menschen mit Höhenangst.

Wer sich in Amsterdam von einem schwulen local abschleppen lässt, wird mit etwas Glück zu einer intimen Grachtenrundfahrt eingeladen (Bild: Micha Schulze)
Zwar auch ganz schön hoch, aber deutlich sicherer ist die Dachterrasse des Nemo. Dieses Wissenschaftsmuseum liegt wie ein dicker, grüner Walfisch im Hafen und bietet kleinen und großen Entdeckern Einblicke in die Welt von Naturgesetzen. Viel lohnenswerter aber ist der Ausblick, wenn man dem Wal aufs Dach steigt und im dortigen Café einen koffie verkeert genießt: Ein atemberaubender Blick über Grachtenhäuser und Neubauten, über Hafen und Kanäle ist garantiert!
Leckeren Kaffee und selbst gebackenen Kuchen mit zuweilen sehr kreativen Kombinationen gibt es im Downtown, Reguliersdwarsstr. 31. Es kostete mich etwas Überwindung, Kürbiskuchen mit Curry zu probieren, aber ich wurde belohnt. Auch der Möhrenkuchen, wortel taart, schmeckte lekker.
Lekker ist ohnehin ein Wort, das die Holländer gern benutzen. Nicht nur Essen ist lecker, auch Wetter, Schlafen oder Jungs, z.B. die im Prik, Spuistr. 109, können lecker sein. Die Bar überzeugt mit angenehmer, unaufgeregter Atmosphäre und wurde wohl auch deshalb wiederholt zur besten Szenebar Amsterdams gewählt. Man kommt leicht ins Gespräch, und mit etwas Glück hat man eine Verabredung mit einem der locals, die Hans zu Beginn erwähnt hat. Mit noch mehr Glück gibt es dann auch eine Einladung zu einer kleinen, intimen Grachtenrundfahrt am kommenden Tag, denn ein Amsterdamer, der etwas auf sich hält und es sich leisten kann, hat natürlich ein Boot. Und Amsterdam muss man einfach mal vom Wasser aus gesehen haben. Wem das Glück nicht hold ist, kann natürlich auch mit einem der kommerziellen Anbieter übers Wasser gondeln, z.B. mit der Canal Company oder der Blue Boat Company.
Womit wir beim Thema Sightseeing wären. Ja, natürlich: Van Gogh Museum, Rijksmuseum, Stedelijk Museum (alle warten gespannt auf die Eröffnung des Neubaus, Hermitage, all das und noch so viel mehr gibt es. Infos zu aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen findet die geneigte Kulturhusche auf dem Portal iamsterdam.com. Mit der Iamsterdamcard kommt man in viele der Sehenswürdigkeiten gratis hinein, kann zudem Bus und Bahn für lau nutzen und bekommt zusätzliche Ermäßigungen.
Amsterdam ist eine Reise wert: Party und Nightlife, Shopping und lekker Essen, Kultur und Kunst vereinen sich zu einer bunten Melange - pardon: zu einem koffie verkeert. Also: Prettige reis!


















"wir fahren in den puff nach barcelona" sag ich da nur..
und warum sollte man im ausland ständig die schwule szene besuchen?! das ist nichts anderen als würde ich in paris nur in deutschen restaurants essen gehen!
party- und lifestyleghettorisierung ist doch mal voll arm! wir leben schließlich nicht mehr in den fünfzigern!