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- 28. September 2010 3 Min.

Stonewall-Chef Ben Summerskill (Bild: Stonewall)
Die schwul-lesbische Gruppe Stonewall steht in der Kritik, weil sie die Kosten für die Ehe-Öffnung in den nächsten zehn Jahren auf 5 Milliarden Pfund (6 Milliarden Euro) beziffert - und sich daher nicht ausdrücklich für die Gleichbehandlung im Eherecht einsetzen will.
Stonewall-Chef Ben Summerskill hat den geschätzten Betrag vergangene Woche auf dem Parteitag der Liberaldemokraten erläutert. Die linksliberalen "Libdems", die seit wenigen Monaten als Junior-Partner der Konservativen an der Regierung sind, haben bei dem Treffen als erste der drei großen britischen Parteien beschlossen, die Ehe für Lesben und Schwule zu öffnen. Gleichzeitig sollen eingetragene Partnerschaften, die bereits jetzt die gleichen Rechte und Pflichten wie die Ehe beinhalten, für Hetero-Paare geöffnet werden.
Nach Angaben von Summerskill hat ein Bundesbeamter die Kosten im Auftrag der schwul-lesbischen Gruppe errechnet. Die Zusatzbelastung soll sich vor allem daraus ergeben, dass mehr heterosexuelle Paare, die nicht heiraten wollen, eine eingetragene Partnerschaft eingehen würden. Dabei erwerben sie Ansprüche etwa im Steuerrecht oder in der staatlichen Rentenversicherung. "Mit geschätzten Kosten von 5 Milliarden Pfund über die nächsten zehn Jahre fragen manche Menschen natürlich nach, ob es in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage klug ist, dieses Ziel umzusetzen", erklärte Stonewall in einer Pressemitteilung. Summerskill ergänzte, dass es nicht die Aufgabe seines Verbandes sei, "heterosexuelle Leute durch die Öffnung von eingetragenen Partnerschaften zu unterstützen".
Kritik an Kosten-Nutzen-Rechnung

Der Unterhaus-Abgeordnete Stephen Gilbert setzt sich für die Ehe-Öffnung ein. (Bild: Libdems)
Bei vielen Homo-Aktivisten und Liberaldemokraten sorgt die Skepsis von Stonewall für Unmut: "Es sollte nicht meine Aufgabe als Abgeordneter sein, Stonewall für Homo-Rechte zu begeistern, sondern umgekehrt", erklärte der liberaldemokratische Parlamentarier Stephen Gilbert. Er sagte, dass Südafrika noch jetzt in einem Apartheidssystem leben würde, wenn die Regierung eine ähnliche Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt hätte.
Der schwule Aktivist Peter Tatchell wies darauf hin, dass rund zwei Drittel der britischen Bevölkerung die Ehe-Öffnung unterstützt und es keinen Grund gebe, gleichgeschlechtlichen Paaren das Grundrecht auf Ehe weiterhin vorzuenthalten.
Homo-Gegner nutzen die berechneten Kosten bereits als Argumentationshilfe für ihre Position. So erklärte etwa die evangelikale Splittergruppe "Christian Institute", dass die Liberaldemokraten "öffentliche Gelder für die homosexuelle Agenda verprassen wollen".
In Großbritannien ist das Konzept der Ehe-Öffnung in den letzten Jahren immer populärer geworden. Auch der neue Chef der oppositionellen Labour-Partei, Ed Milliband, ist ein erklärter Anhänger der Gleichbehandlung im Eherecht. Sogar die konservativen Tories, die noch in den 1980er Jahren mit dem homphoben Gesetz Section 28 die Diskriminierung von Schwulen und Lesben festgeschrieben hatten, freunden sich langsam mit der Homo-Ehe an. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass sie ihrem Koalitionspartner in dieser Legislaturperiode bei der Homo-Frage entgegenkommen.
In ihrem neuen Programm fordern die Liberaldemokraten, Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaften für alle zu öffnen. Es soll zudem einfach sein, eine Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Außerdem sollen im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen sofort anerkannt werden. Auch Transsexuelle sollen nicht mehr dazu gezwungen werden, eine bestehende Ehe oder Lebenspartnerschaft bei einer Änderung des Geschlechts auflösen zu müssen. (dk)














