Die CDU bezeichnete die Einführung der so genannten Homo-Ehe als "Gefährdung der Familien". (Bild: WonderMike / flickr / by 2.0)
Vor genau zehn Jahren stimmte der Bundestag dem Lebenspartnerschaftsgesetz zu.
Von Dennis Klein
"Ich sage Ihnen gleich zu Beginn: Eine Kopie der Ehe, die die kulturell dichteste Verantwortungsgemeinschaft ist und deshalb zu Recht unter dem besonderen Schutz des Staates steht, kann nicht die Lösung sein", so polterte am 10. November 2000 der damalige FDP-Chef Wolfgang Gerhardt. CSU-Hardliner Norbert Geis glaubte sogar, dass nicht nur das Grundgesetz, sondern der liebe Gott, Jehova und Allah wegen des Gesetzes persönlich beleidigt sein könnten: "Der Entwurf steht nicht nur zu unserer Verfassung, sondern auch zu den Prinzipien der drei großen Religionen im Widerspruch", erklärte er in derselben Debatte. Er reagierte damit auf eine Steilvorlage des damaligen CDU-Abgeordneten Martin Hohmann, der in einer Zwischenfrage die Homo-Ehe als "unwert" bezeichnet hatte.
Dem Schlagabtausch im Parlament war eine jahrelange Kampagne des Lesben- und Schwulenverbandes vorausgegangen. In der Politik hatte außer den Grünen eigentlich keine Partei ein wirkliches Interesse an dem Lebenspartnerschaftsgesetz in dieser Form. Die FDP wollte Homo-Paaren in einem eigenen Gesetzentwurf immerhin ein paar Rechte gewähren und die Union lehnte jegliche Anerkennung ab. Auch die PDS war unzufrieden: Die Oppositionspartei wollte nur die komplette Gleichstellung akzeptieren – und lehnte daher alle Kompromissvorschläge ab.
Sogar aus der SPD gab es kritische Stimmen: Innenminister Otto Schily befürchtete wie Union und FDP, dass die Lebenspartnerschaft gegen den besonderen Schutz von Ehe und Familie in der Verfassung verstoßen würde. Wegen der Querelen wartete die Regierungskoalition zwei Jahre auf die Umsetzung – in dieser Zeit hatte Rot-Grün den Bundesrat bereits an die Union verloren.
Trippelschritte zu mehr Rechten
Im Jahr 2000 war keine Debatte emotionsgeladener als der Streit um das Lebenspartnerschaftsgesetz.
Im Bundestag stimmten am 10. November nur SPD und Grüne einem noch recht kleinen Gesetz zu, das zwar einige Rechte wie das Zeugnisverweigerungsrecht enthielt. Die Länderkammer verhinderte aber, dass Schwule und Lesben im Steuerrecht gleichgestellt wurden. So kam es dazu, dass Menschen in einer Lebenspartnerschaft für ihren Partner einstehen müssen, wenn er in eine finanzielle Schieflage gerät – wenn es finanziell gut läuft, knöpft das Finanzamt den beiden aber weit mehr Steuern ab als (heterosexuellen) Ehepaaren. Viele Bundesländer, darunter Bayern und bis heute Baden-Württemberg, machten von der Möglichkeit Gebrauch, Homo-Ehen nicht im Standesamt eintragen zu lassen, sondern in anderen Behörden.
2004 schob die Regierung zwar noch ein paar nicht zustimmungspflichtige Rechte nach; unter anderem konnten sich Homo-Paare jetzt verloben und nach einer Eintragung das Kind des Partners adoptieren – warum das nicht schon im Jahr 2000 umgesetzt wurde, blieb das Geheimnis des Gesetzgebers. Das volle Adoptionsrecht, das jetzt in einer 180-Grad-Wendung und mit Liebe zur Parteitaktik von der FDP-Fraktion gefordert wurde, lehnten nun SPD und Grüne ab. Es müssten erst "genügend Erfahrungen mit dem neuen Gesetz gemacht" werden, argumentierte Volker Beck damals.
Homo-Gegner hofften auf Karlsruhe
Wolfgang Gerhardt (FDP) griff Rot-Grün vor zehn Jahren scharf an: "Sie beeinträchtigen den verfassungsrechtlichen Status von Ehe und Familie". (Bild: Wiki Commons / Initiative Umsteuern / CC-BY-2.0)
Die Homo-Gegner hofften zunächst noch, das Lebenspartnerschaftsgesetz mit Hilfe des Grundgesetzes wieder abzuschaffen. Sie beriefen sich dabei stets auf Artikel 6 des Grundgesetzes. Dort heißt es: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung" – für Union, FDP und Teile der SPD war es 2000 offenbar noch unvorstellbar, dass auch gleichgeschlechtliche Paare eine Familie gründen können. Die unionsregierten Länder Bayern, Sachsen und Thüringen starteten nach dem Bundestagsbeschluss ein Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie argumentierten, dass es laut Grundgesetz kein vergleichbares Rechtsinstitut neben der Ehe geben darf. Das Bundesverfassungsgericht verwarf diese Argumentation im Jahr 2002, ein vermeintliches Abstandsgebot zwischen Lebenspartnerschaft und Homo-Ehe sollte aber noch jahrelang in konservativen Köpfen weiterspuken.
In Karlsruhe erfolgreicher waren dagegen Homo-Paare, die gegen Ungerechtigkeiten im System klagten. Den größten Erfolg erzielten sie 2009, als das Bundesverfassungsgericht eine Gleichbehandlung von Homo-Paaren nach Artikel 3 des Grundgesetzes forderte ("Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich"). Karlsruhe kassierte die Ungleichbehandlung in der Hinterbliebenenversorgung und später im Erbschaftssteuerrecht, an der größten Benachteiligung hält die Bundesregierung aber nach wie vor fest: Bei der Einkommenssteuer werden eingetragene Lebenspartner immer noch wie Fremde behandelt – und müssen daher bis zu 15.000 Euro mehr an das Finanzamt abführen als (kinderlose) Ehepartner.
Der damalige FDP-Chef Wolfgang Gerhardt hat in der Bundestagsdebatte im Jahr 2000 darauf verwiesen, dass die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes die Akzeptanz für Homo-Paare in der Gesellschaft "eher verkleinert". Wie so oft war das eine Fehleinschätzung. In Deutschland spricht sich heute eine klare Mehrheit für die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben aus. In Medien wird nicht von "Verpartnerungen" sondern von "Hochzeiten" von schwulen Promis wie dem jetzigen FDP-Chef Guido Westerwelle gesprochen. Für die breite Öffentlichkeit sind Schwule und Lesben damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jetzt wird es Zeit, die letzten Benachteiligungen abzuschaffen und die Ehe endlich für gleichgeschlechtliche zu öffnen. Dann kann endlich die für viele Beteiligten peinliche Debatte beendet werden.