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- 21. Januar 2011 2 Min.

Alltag in deutschen Klassenzimmern - mit Aufklärung hat das jedoch nichts zu tun
Verkehrte Fronten im Mainzer "Faltblatt-Streit" - doch Aufklärung über Homosexualität in der Schule ist noch immer ein Tabu.
Von Jürgen Friedenberg
Ein vom rheinland-pfälzischen Bildungsministerium herausgegebenes Faltblatt mit dem Titel "Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule" treibt in Mainz die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner auf die Barrikaden. Sie fordert, das Faltblatt, das als Handreichung für die Schulen gedacht ist und ihnen "Informationen, Orientierungen und Empfehlungen" vermitteln will, sofort aus dem Verkehr zu ziehen, da es sich an einem "anti-aufklärerischen islamischen Geschlechterbild orientiert."
Droht im Vorfeld der Landtagswahlen ein Kampf an verkehrten Fronten? Der von Altvater Kurt Beck dominierten, vergleichsweise konservativen SPD wird sogar eine "zu islamfreundliche Unterrichtsgestaltung" unterstellt. Die CDU hingegen, die sich einst mit Dorfschulmeistermentalität gegen jegliche Schulreformen stemmte und lange Zeit Vorbehalte gegen Koedukation und erst recht gegen die Einführung der Sexualkunde äußerte, gibt sich jetzt ungewohnt fortschrittlich.

Zu islamfreundlich? Die rheinländische-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) wird von der CDU attackiert
Klöckner, auch Spitzenkandidatin ihrer bisher in der Opposition verharrenden Partei für das Ministerpräsidentenamt, macht sich dafür stark, Jungen und Mädchen in Sexualkunde, Sport und Schwimmen gemeinsam zu unterrichten und nicht - wie von manchen Muslimen verlangt - nach Geschlechtern getrennt. Auch Klassenfahrten - von muslimischen Eltern angeblich wegen befürchteter unsittlicher Gefahren, tatsächlich aber oft wegen der Kosten beargwöhnt - gehörten zur schulischen Erziehung, betont die angriffslustige Unionschristin, eine Befreiung davon sei nur aus triftigen Gründen möglich, bei Sexualkunde laut Bundesverfassungsgericht praktisch unmöglich..
Die Mainzer Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) will es hingegen weitgehend den Schulen überlassen, wie sie die aufgezeigten Probleme vor Ort bewältigen. Und sie tut gut daran, denn Lehrermangel und räumliche Engpässe erzwingen einfallsreiche Flexibilität. Das gilt auch für die Berücksichtigung islamischer Feiertage und für die Entscheidung, ob auch im Fastenmonat anstrengende Klassenarbeiten geschrieben werden sollen oder nicht.
Der "Faltblatt-Streit", der wohl noch in die bereits laufende Meenzer Fassenacht "integriert" werden dürfte, hat aber eine überraschende Pointe: just die von der Landes-CDU aufgespießten Empfehlungen entsprechen nämlich weitgehend den Empfehlungen, die vor Jahren bereits von der Deutschen Islam-Konferenz, einer vom CDU-Bundesinnenminister berufenen und geleiteten Expertenrunde, verabschiedet und veröffentlicht worden waren.
Fortschrittlich könnten sich die Parteien hierzulande dennoch gebärden, nämlich, wenn sie in der Sexualkunde endlich das Thema Homosexualität verpflichtend vorschreiben würden. Oder ist soviel Fortschritt an Rhein, Mosel und Nahe zuviel verlangt?
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