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- 15. Februar 2011 2 Min.

Die Polizei in Budapest begründet ihr Verbot mit dem hohen Verkehrsaufkommen (Bild: police.hu)
Neuer Akt im CSD-Streit in Ungarn: Die Budapester Polizei hat die Genehmigung für die am 18. Juni geplante CSD-Parade zurückgezogen.
Wie die Veranstalter der Stiftung Szivarvany Misszio (Mission Regenbogen) mitteilten, begründeten die Behörden das Verbot mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen, das wegen der Veranstaltung entstehen würde. Der CSD 2011 war bereits vorgenehmigt worden, die Veranstalter beantragten aber eine geringfügige Routenänderung, die die Parade am Parlament vorbeiführen sollte.
Mit dem CSD wollten sie gegen die geplante neue Verfassung demonstrieren, die das Ehe-Verbot für Schwule und Lesben festschreiben soll (queer.de berichtete). Außerdem wollten die Veranstalter gegen die Anfang des Jahres in Kraft getretene Einschränkung der Pressefreiheit demonstrieren, die besonders schwul-lesbische Publikationen betreffe. Die Polizei nahm diesen Antrag zum Anlass, die gesamte Veranstaltung zu untersagen.
CSD-Organisatoren wollen klagen
Szivarvany Misszio hat bereits angekündigt, gegen das Verbot zu klagen. Die Aktivisten vermuten eine Anordnung der neuen konservativen Fidesz-KDNP-Regierung, die im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt: "Die Entscheidung war wahrscheinlich politisch motiviert. Seit letztem März ist viel passiert", erklärte Organisator Sandor Steigler mit Blick auf den Regierungswechsel. Fidesz-KDNP lehnt die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben ab.
LSVD appelliert an Außenminister Westerwelle
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hat nach dem Verbot an Außenminister Guido Westerwelle (FDP) appelliert, sich für die Rechte von Schwulen und Lesben in dem NATO- und EU-Mitgliedsland einzusetzen: "Wir appellieren dringend an Sie, gegenüber der ungarischen Regierung gegen das CSD-Verbot zu protestieren", erklärte Bundesvorstand Axel Hochrein in einem offenen Brief. Der Entzug des Demonstrationsrechts widerspreche den Werten des demokratischen Europa, so Hochrein.
Seit Jahren gibt es Auseinandersetzungen um den CSD in Budapest. Schon 2008 wollte die Polizei die Veranstaltung untersagen, schon damals wegen des angeblich zu hohen Verkehrsaufkommens (queer.de berichtete). Nach Protesten wurde das Verbot wieder aufgehoben (queer.de berichtete). Jedes Mal organisierten religiöse Aktivisten und Rechtsradikale Gegendemonstrationen ("Stoppt die Pädophilen"). Dabei kam es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf CSD-Teilnehmer. (dk)
Nachtrag vom 19.02.2011: In einer Entscheidung vom 18. Februar hat das Budapest Metropolitan Court das Demo-Verbot der Polizei für ungültig erklärt. Die Versammlungsfreiheit habe Vorrang vor möglichen Verkehrsproblemen, so die Richter.















Hintergrund des Erfolges in Ungarn sind die Grenzziehungen auf dem Balkan, die dazu führten, das ungarische Bürger sich teilweise heute auf dem Gebiet der Slowakei und auf dem Gebiet Serbiens wiederfinden. Diesen Hintergrund nutzen immer wieder ungarische Nationalisten, um an die Macht in Ungarn zu gelangen und Propaganda zu bringen. Wenn dann eine zerstrittene linke oder gemäßigte Regierung dann auch noch keine ordentlichen Haushalte zustandebekommt und das Land immer mehr sich verschuldet und wirtschaflich zurückfällt, ist dies der Augenblick der Nationalisten in Ungarn. Und genau dies ist passiert bei den letzten Wahlen...
Es bleibt nur zu hoffen, dass die Regierungsbilanz in drei Jahren in Ungarn für die Nationalisten total mies ist, so dass die Bevölkerung umdenkt und wieder gemäßigte oder linke Parteien wählt.
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Insgesamt zeigt sich auch am Beispiel Ungarns: so toll ist das mit den demokratischen Regierungen in Osteuropa nicht...fünfzig Jahre kommunistischer Ostblock wirken dort gesellschaftlich und wirtschaftlich auch heute noch nach. Da vergeht noch eine ganze Generation, bis dort in Osteuropa wirklich Demokratie sattelfest ist.
Wichtig ist jetzt, das es wirtschaftlich in Ungarn derzeit nicht bergauf gehen darf, denn das würden sich die Nationalisten dann als Erfolg zurechnen.