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- 18. Februar 2011 3 Min.

Szene aus "Zum Teufel mit der Penne" aus dem Jahr 1968: Auch heute noch gibt es Defizite an Schulen.
Weniger als jedes fünfte in Nordrhein-Westfalen genutzte Schulbuch erwähnt in relevanten Fächern Homosexualität als Thema, wie eine Studie des Autonomen Lesben- und Schwulenreferats an der Uni Köln (LUSK) ergeben hat.
Die Autoren untersuchten insgesamt 365 in NRW gebräuchliche Schulbücher aus den Fachbereichen Geschichte, Religionslehre, Englisch, Sozialwissenschaften/Politik, Deutsch und Biologie. Davon behandelten nur 67 Bücher schwul-lesbische Lebensweisen, was einer Quote von 18 Prozent entspricht. Am meisten wurde das Thema in Biologie-Lektüren erwähnt, in insgesamt 55 von 80 untersuchten Büchern. Die restlichen zwölf Erwähnungen stammen aus den Fächern Geschichte und Religion.
"Angesichts der seit 2008 verstärkenden Intoleranz Jugendlicher gegenüber Schwulen und Lesben wäre es aus gesellschaftspolitischer Verantwortung wünschenswert, dass Homosexualität bzw. schwullesbische Lebensweisen stärker in den Fokus der Schulbücher gerückt werden", so das Resümee der Autoren. Sie erklärten, dass sich die Realität der Jugendlichen im Unterricht abbilden müsse. Das geschehe beim Thema schwul-lesbische Lebensweisen nur unzureichend.
Gewalt gegen Schwule und Lesben kein Thema
Es wird etwa kritisiert, dass die Schulbücher im Fach Sozialwissenschaften/Politik umfassend auf Menschenrechtsverletzungen in aller Welt hinweisen, Gewalt und staatliche Verfolgung gegen sexuelle Minderheiten jedoch verschwiegen werden. Homosexualität komme als Thema in über 20 Büchern überhaupt nicht vor, selbst wenn Themen wie "Familie im Wandel" aufgegriffen werden. Das habe Konsequenzen: "So entwickeln die Schüler kein angemessenes, demokratisches Bewusstsein für schwul-lesbische Lebensweisen". Positiv fielen einige evangelische Religionsbücher auf, die sich mit schwulen und lesbischen Paaren sowie "der Aufbrechung von traditionellen Rollenvorstellungen" beschäftigt haben (Bücher für den katholischen Religionsunterricht wurden nicht untersucht).
Auch im Biologie-Unterricht werde Homosexualität nur unzureichend behandelt, obwohl sie in der Mehrzahl der Bücher erwähnt wird. Das geschehe oft nur in einem Glossar am Rande, kritisieren die Autoren, in einem Fall in der Gesellschaft von Themen wie Prostitution und Sadismus. Ingesamt werde in den Büchern eine "einseitig heterosexuelle Sicht" propagiert.
Historisch unkorrekte Geschichtsbücher
Im Lehrfach Geschichte gehe kein einziges Buch gesondert auf die Schwulen- und Lesbenbewegung ein, und auch nur eines habe das Stichwort "Homosexuelle" im Register (es verweist auf eine bemerkenswerte Passage: "So hat sich in den letzten Jahren der Christopher-Street-Day zum Feier- und Protesttag der Homosexuellen entwickelt. Mit Geschichte wird auch Geld verdient.") Ein Buch geht auf die Abschaffung des Paragrafen 175 ein, die meisten kümmern sich um die Verfolgung in der NS-Zeit, "wobei nicht zwischen Schwulen und Lesben unterschieden wird und damit diese Darstellung historisch unkorrekt bleibt." Ein Buch begründet die Verfolgung Schwuler mit "ihrer Lebensführung" - es stammt aus dem Jahr 2009.
Mit der Ausnahme eines Deutsch-Buches, das ein schwules Paar abbildet, gehen keine weiteren Bücher aus den Fächern Englisch- und Deutsch auf Schwule und Lesben ein. Als positives Beispiel für eine faire Behandlung führen die Autoren daher die Niederlande an. Dort hat der größte Schulbuchverlag im vergangenen Jahr entschieden, schwule und lesbische Paare künftig in allen Fächern zu berücksichtigen (queer.de berichtete). Dort sollen etwa im Mathematik-Unterricht Fragen auftauchen wie: "Zwei Väter kaufen ein Sofa für 1.399 Euro mit 25 Prozent Rabatt. Wie viel müssen sie bezahlen?". (dk)

Die anderen Verlage (Schroedel, Duden) beschränken ihre Aufklärung wie oben angemerkt auf kurze, nichtssagende Glossareinträge und prophezeihen im Fließtext ausführlich ein „Interesse am anderen Geschlecht“.