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- 10. März 2011 4 Min.

Auf der Website des CSD München prangt bereits der neue Name (Bild: csd-munich.de)
Die CSD-Umbenennung in "Christina Street Day" soll dieses Jahr in München die Sichtbarkeit von Lesben erhöhen - derzeit schwappt allerdings nur die Empörung über den neuen Namen immer weiter hoch.
Von Dennis Klein
Norbert Kammermeier ist sauer: "Das geht einfach nicht. Wir geben uns der Lächerlichkeit preis", erklärte der Aktivist, der einst den CSD Regensburg mitorganisierte. Jetzt verteilt er in der Münchener Szene Unterschriftenlisten gegen die "eigenmächtige und sinnlose Umbenennung". Die Listen liegen unter anderem im Drei Glöcklein, Nil, Rendezvous, Selig und Spexter aus und können auf der bereits 500 Mitglieder zählenden Facebook-Seite "Gegen den Namen 'Christina Street Day'" heruntergeladen werden.
Dabei meinten es die CSD-Organisatoren eigentlich gut: Thomas Niederbühl erklärte im queer.de-Interview, dass beim diesjährigen CSD etwas gegen die mangelnde Sichtbarkeit von Lesben unternommen werden sollte. Mit dem Motto "Gemeinsam für uns alle" unter dem Banner des "Christina Street Day" sollte die Einheit der Community gezeigt werden, die Hand in Hand für gleiche Rechte kämpft.
Diese romantische Innenansicht führt bei Kammermeier zu Magenverstimmungen. Der Name führe nicht nur zu Lachkrämpfen in der Lokalpresse, sondern verfälsche die Geschichte. Das falle zwar jungen Party-Huschen nicht auf, findet Kammermeier, anderen dafür umso mehr: "Die Älteren, die selbst der Front gestanden haben, haben ein penibles Geschichtsbewusstsein." Es sei eine Tatsache, dass der Stonewall-Aufstand nicht in der Christina-Straße stattgefunden habe. "Als ich das Leuten in der Bar erzählt haben, dachten viele, das wäre ein Aprilscherz", sagt er und fügt an: "Wenn das so bleibt, werde ich mich nicht mehr am CSD beteiligen."
Selbst unter den CSD-Organisatoren gibt es keine Einigkeit über den neuen Namen. So erklärte Guido Vael von Sub e.V., dem schwul-lesbischen Zentrum in München, dass sein Verein der Umbenennung nicht zugestimmt habe. Neben Sub organisieren noch die Münchener Aidshilfe, die Lesbenberatungsstelle LeTRa und die Kleinpartei Rosa Liste München von Thomas Niederbühl den CSD.
Die Lesben im Hintergrund

Frauen beim Münchener CSD 2010 (Bild: jerome_Munich / flickr / by 2.0)
Vael lehnt die Umbenennung ab, weil sie die Geschichte verfälsche. Lesben hätten eben nicht Hand in Hand mit ihren schwulen Brüdern gegen Unterdrückung gekämpft. Als Mitorganisator des ersten Münchener CSDs 1980 erinnere sich Vael daran, mit welchen Argumenten bewegte Lesben sich damals von Schwulen absetzen wollten. So hätten sie Schwule als genauso gefährlich wie Heteros eingeschätzt - mit dem Argument: "Auch schwule Männer penetrieren". Zwar seien solche Ansichten inzwischen Geschichte - dennoch sei der diesjährige Name "Geschichtsklitterung".
Auch Kammermeier argumentiert, dass die mangelnde Sichtbarkeit von Lesben, die von den CSD-Organisatoren beklagt wird, nicht Schwulen zur Last gelegt werden kann: "Die Lesben wollen doch meistens nicht in Erscheinung treten", so Kammermeier. Er selbst habe vor wenigen Jahren in Regensburg den ersten schwul-lesbischen Sportclub gegründet und massiv bei Lesben geworben. Am Ende lag ihr Anteil dennoch bei unter zehn Prozent. "Die haben zwar viel geredet, wollten aber am Ende unter sich bleiben", resümiert Kammermeier.
"Die Welt lacht über ´Christina Street Day´"
Die CSD-Leitung unternimmt gegenwärtig wenig, um die Kritik einzudämmen: So war CSD-Pressesprecherin Rita Braaz bis Donnerstagabend nicht für queer.de zu erreichen, Koordinator Thomas Niederbühl ist nach Angaben des LeTRa-Büros im Urlaub, ein anderer Ansprechpartner nicht im Hause. Im Internet ist dagegen eine wilde Debatte ausgebrochen; selten gab es so viele Emotionen im Vorfeld eines CSDs. Kommentatoren machen sich insbesondere um die Außendarstellung in der "Hetero-Presse" Sorgen. Gayösterreich.at schreibt etwa, dass die Welt über die Namensänderung lache. Außerdem sei sie ohnehin unverständlich, beklagt ein Kommentator auf der Facebook-Seite der Namensgegner. Auf der Webseite der Stadt München werde mit der Headline "Christina Street Day" geworben, neben einem Bild einer Drag Queen. "Soviel zur verbesserten Sichtbarkeit von Lesben".
"Bei allem Verständnis für die Problemlage", schreibt Elmar Kraushaar in der "taz", "greift sich ein jeder Homosexueller - egal ob lesbisch oder schwul - bei so viel Albernheit nur noch an den Kopf." Blogger Steven Milverton schließt folgendes Fazit: "Die Drag Queens [beim Stonewall-Aufstand] hatten wohl kaum im Sinn, sich für irgendwelche Christinas verprügeln zu lassen. Sie sind für sich selbst auf die Straße gegangen, und nicht für irgenwelche Lesben, die 50 Jahre später von den Ereignissen in der Christopher Street schamlos profitieren wollen."
Vereinzelt gibt es aber auch Stimmen, die sich mit dem neuen Namen anfreunden können. So würde es Blogger Missetaeter.info nicht wundern, "hätten einige [Tunten und Transen] seinerzeit die besagte Straße selbst effeminiert 'Christina Street' genannt." Er wirft Kritikern vor, ganz bürgerlich an alten, liebgewonnen Symbolen festzuhalten - und damit der Community keinen Gefallen zu tun: "Kleingeistigkeit und Konservatismus sind doch ein schlechtes Identifikationsangebot für alle, die noch nicht out sind und eine Beleidigung für jene, für die das noch nie eine angemessene Haltung war."
Nachtrag, 20.20h Es gibt seit seit eben auch eine Facebook-Gruppe "Gegen die lesbische Unsichtbarkeit auf den CSDs".

Links zum Thema:
» CSD München
» CSD München bei Facebook
Mehr zum Thema:
» Facebook-Gruppe gegen Christina Street Day (5.3.2011)
» Interview mit Thomas Niederbühl (3.3.2011)
» CSD München wird Christina Street Day (26.2.2011)