Realistisch und satirisch zugleich: Peter Kerns Ausflüge ins Düsseldorfer Strichermilieu
Die "Peter Kern Box" von Pro-Fun präsentiert die beiden populärsten Filme des österreichischen Kult-Regisseurs: "Gossenkind" und "Knutschen Kuscheln Jubilieren".
Von Carsten Weidemann
Er sang bei den Wiener Sängerknaben, spielte den Räuber Hotzenplotz, drehte zwanzig Filme, schrieb Essays für die Frankfurter Allgemeine und war zuletzt in Rosa von Praunheims Doku "Die Jungs vom Bahnhof Zoo" zu sehen: Peter Kern. Mit "Gossenkind" und "Knutschen Kuscheln Jubilieren" hat Pro-Fun jetzt zwei Kult-Filme des österreichischen Multi-Talents auf eine Doppel-DVD gepresst.
In der teils fiktionaler Doku "Knutschen Kuscheln Jubilieren" von 1998 begleitet Peter Kern mehrere alte schwule Männer, die sich im Düsseldorfer Stricherlokal "Le Clou" treffen. Der jüngste der Clique, "Oma", hat bereits 78 Lenze hinter sich. Mit 56 Jahren offenbarte "Charlotte" seiner 80-jährigen Mutter, dass er schwul ist. "Biene" wurde in seiner Hochzeitsnacht von einem 16-Jährigen verführt. Und "Mutter Colonia" träumt davon, einmal Prinz Karneval in Köln zu sein.. In der Bar, die für die Männer zum Wohnzimmer geworden ist, können sie sich so geben, wie sie sind, müssen sich nicht verstecken und müssen sich nicht zurücknehmen. Doch auch außerhalb der Kneipe planen sie gemeinsam. Nach einer gemeinsamen Hamburg-Fahrt steht dank eines Gewinns ein Venedig-Aufenthalt auf dem Plan.
Kern drehte "Knutschen Kuscheln Jubilieren" mit Laiendarstellern, die er seit Jahren aus der Kneipe kannte und einem Budget von 100.000 Euro auf digitalem Video. Es gab nur inhaltliche Vorgaben, keine Texte. Was dabei herauskam, beschreibt die Rheinische Post so: "Es ist ein Film, der - wohl zum ersten Mal im deutschen Sprachraum - die Lebensrealität mehrerer alternder Schwuler realistisch und satirisch darstellt."
Youtube | Offizieller Trailer zu "Knutschen Kuscheln Jubilieren"
Familienvater verliebt sich in Strichjunge
Tabu-Film: "Gossenkind" erzählt die Liebesbeziehung zwischen Karl-Heinz und dem 14-jährigen Axel
Auch "Gossenkind" spielt im Düsseldorfer Strichermilieu. Der 14-jährige Axel bessert sein Taschengeld durch Prostitution auf. Seine Mutter ist Alkoholikerin, ihr alkoholkranker Freund vergewaltigt ihn. Für seine Arbeit im Umfeld des Bahnhofs verlangt Axel 50 Mark - mindestens. Eine warme Mahlzeit, ein Bad und ein Bett findet er beim Familienvater Karl-Heinz Brenner. Die Liebe zu Alex bringt diesen soweit, dass er sich zu seinen Gefühlen bekennt und seine gesellschaftlich nonkonforme Romanze offenbart. Zur gleichen Zeit ist die Ehefrau von Karl-Heinz mitsamt Sohn und Liebhaber auf einem Bauernhof zu Gast. Der Sohn wird vom Stallburschen verführt. Alles spitzt sich zu einem unvorhersehbaren aber nicht tragischen Ende zu...
Als "Gossenkind" 1992 in die Kinos kam, wurde Peter Kern von der französischen Zeitung "La Baule" mit Rainer Werner Fassbinder verglichen. Schauspielerisch treten Winfried Glatzeder als Karl Heinz Brenner und Max Kellermann als Alex in den Vordergrund - in einer Nebenrolle als Knecht sieht man Christoph Schlingensief.
Gossenkind, Knutschen Kuscheln Jubilieren - Die Peter Kern Doppel-DVD, Drama, Deutschland 1991/1998, Regie: Peter Kern, Darsteller: Winfried Glatzeder, Max Kellermann, Daniel Aminatey, Nicole Weber, Daniel Berger, Renate Krößner, Peter Kern, Christoph Schlingensief, Laufzeit: ca. 172 Min., Sprache: Deutsch, FSK 16, Pro-Fun Media
Youtube | Inoffizieller Trailer zu "Gossenkind"