Sicher im Mund, nicht im Arsch: Das Precum (Bild: Wiki Commons / Tudor / CC-BY-SA-2.0)
Wir wissen: Raus, bevor es kommt. Aber wie riskant oder sicher ist denn nun der Umgang mit dem Precum? Der aktuelle HIV-Report gibt Tipps.
Von Carsten Weidemann
In den Sprechstunden der Aids-Hilfen, aber auch bei der Online-Beratung auf den Datingportalen ist die Frage nach dem Lusttropfen ein Klassiker. Es gelten zwar nach wie vor die Jahre alten Botschaften: Die Aufnahme des Lusttropfens in den Mund ist "Safer Sex", Precum beim Ficken dagegen ist riskant. Warum ist das natürlich erzeugte Gleitgel, dass vor dem Ejakulat aus dem Schwanz tropft kein Problem beim Blasen, beim Analverkehr aber sehr wohl? Die gerade erschienene Ausgabe des von der Deutschen AIDS-Hilfe publizierten "HIV-Reports" gibt dazu ausführliche Antworten.
In zwei Studien aus dem Jahr 1992, so berichtet der DAH-Medizinreferent Armin Schafberger, wurde festgestellt, dass sich im Lusttropfen von HIV-Positiven Immunzellen befinden. Schafberger stellt fest: "Als Ergebnis der Studien gilt seitdem, dass die Vorflüssigkeit eher weniger HIV enthält als Sperma, aber potenziell infektiös ist. Allerdings kann man aus den Untersuchungen keine sicheren Angaben darüber machen, ob und unter welchen Umständen die Vorflüssigkeit eine niedrigere oder höhere Konzentration an Viren aufweist. Es ist anzunehmen (aber noch nicht wissenschaftlich untersucht), dass die Konzentration von HIV in der Vorflüssigkeit in der akuten HIV-Infektion höher ist - wie auch im Blut und in den anderen Sekreten- und nach monatelanger erfolgreicher HIV-Therapie niedrig oder unter der Nachweisgrenze."
Potentiell infektiös, aber dennoch lecker im Mund?
Der Lusttropfen ist "potentiell infektiös", aber dennoch geht beim Blasen keine Gefahr von ihm aus? Wie kann das sein? Es kommt eben auch auf die Menge an, beruhigt der Mediziner: "Oralverkehr birgt insgesamt (auch mit Aufnahme von Sperma) nur ein geringes Risiko einer HIV-Übertragung. Um dieses geringe Risiko zu reduzieren, gilt als Safer Sex Botschaft, kein Ejakulat im Mund aufzunehmen. Diese Botschaft bedeutet, dass der Lusttropfen aufgenommen werden kann und die Botschaft hat sich millionenfach seit einem Vierteljahrhundert bewährt. Die geringe Menge an HIV im Lusttropfen reicht für eine Übertragung im Mund (!) nicht aus. Denn die Mundschleimhaut ist viel stabiler als die genitalen und rektalen Schleimhäute, der Speichel wirkt verdünnend und die Verweildauer ist durch den Schluckvorgang kurz."
Dadurch erklärt sich auch das höhere Risiko einer HIV-Infektion beim Analverkehr. Das sogenannte "Dippen", bei dem man eine Weile ohne Kondom penetriert, oder das gummilose Ficken ohne in den anderen abzuspritzen kann zu einer Infektion führen, da die Darmschleimhaut dünner, sensibler und aufnahmefähiger ist als die im Mund.
Genau das predigt die Aids-Hilfe seit Jahren. Sollte inzwischen doch jeder mal mitgekriegt haben.